Leitbild der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz
Unser Leitbild wurde von allen Mitarbeiter*innen der Gedenk- und Bildungsstätte erarbeitet. Die Kolleg*innen der Bereiche Bibliothek, Bildung & Forschung, Kommunikation & Öffentlichkeit und Verwaltung haben sich in einen gemeinsamen Prozess eingebracht, um die Ziele unserer Arbeit zu definieren, zu reflektieren und zu schärfen.
Tat und Ort
Am historischen Ort der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz fand am 20. Januar 1942 eine Besprechung hochrangiger Vertreter des NS-Regimes statt, auf der die Deportation und systematische Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden erörtert und deren Umsetzung geplant wurde. Hiervon waren Millionen von Menschen betroffen – weit über Europa und weit über 1945 hinaus.
Der Ort – die Villa am Großen Wannsee, einst Gästehaus der SS – verweist auf die Tat, ohne selbst Tatort des Mordens zu sein.
Als Täterort steht das Haus für die Beteiligung der deutschen Gesellschaft an den NS-Verbrechen. Gleichzeitig dient das Haus der symbolischen Verortung des dezentral, arbeitsteilig und an vielen verschiedenen Orten organisierten und durchgeführten Massenmordes an den europäischen Jüdinnen und Juden, der Shoah. Es ist daher eng mit den Erfahrungen und Erinnerungen der Betroffenen verknüpft.
Nachdenken und Gedenken
Die Gedenk- und Bildungsstätte ist ein Ort des Erinnerns an, des Vermittelns über und Erforschens der Verfolgung und Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden.
Wir wissen an diesem Ort von transnationaler Bedeutung um die multiperspektivische Sicht auf die Geschichte. Dazu gehört auch ein Bewusstsein für die unterschiedliche Wahrnehmung des Ortes und dessen historischer Rolle. Darum ist unser Haus auch ein Ort individuellen Gedenkens an konkrete Menschen und ihre Lebenswege.
Als Mitarbeiter*innen sind wir alle verschieden. Wir bringen unsere unterschiedliche Herkunft, unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen an diesem Ort ein und reflektieren diese bei unserer Arbeit. Wir vereinen in gegenseitiger Wertschätzung verschiedene Kompetenzen in unserer Arbeit und verstehen Unterschiede als Bereicherung.
Zugänge und Dialoge
Wir treten als Gedenk- und Bildungsstätte für ein offenes, respektvolles Miteinander ein und möchten für ein verantwortliches gesellschaftliches Handeln sensibilisieren.
Wir wollen Zugänge für die Begegnung mit historischen Erfahrungen für alle schaffen. Dadurch wollen wir die zeitliche und biographische Distanz zu den historischen Ereignissen überbrücken und verdeutlichen, warum diese Geschichte für uns heute weiterhin Relevanz hat, und worin diese besteht.
Dazu gehört auch die Reflexion historischer und gegenwärtiger Erfahrungen von Diskriminierung, Entrechtung und Gewalt im Spannungsverhältnis zur Geschichte der Shoah.
Wir nehmen die Vielfalt unserer Gesellschaft wahr und arbeiten mit vielen unterschiedlichen Gruppen und Individuen vor Ort, aber auch digital.
Wir mischen uns aktiv in gesellschaftspolitische und erinnerungskulturelle Debatten und Auseinandersetzungen ein, die mit dem historischen Kernthema des Hauses in Verbindung stehen. Uns ist es wichtig, in diesen Diskussionen unsere Perspektive als Gedenk- und Bildungsstätte einzubringen.
Wie wir arbeiten
Ausgehend von der Bedeutung des historischen Ortes verbinden unsere Ansätze das Forschen, Lernen und die Reflexion über gesellschaftliche Strukturen, ideologische Grundlagen sowie Handlungen und Entscheidungen, die den Massenmord möglich machten, vor dem Hintergrund der Perspektiven und Erfahrungen der Betroffenen. Kognitiv-empathische Zugänge zur Vergangenheit, die durch die Begegnung mit persönlichen Geschichten und Biografien entstehen, sind uns dabei besonders wichtig.
Unsere Forschung orientiert sich an diesen historischen Kernthemen und deren aktueller, gesellschaftlicher Bedeutung. Sie unterstützt die vielfältigen Ansätze und Inhalte aller Abteilungen unseres Hauses. Forschendes Lernen, insbesondere anhand von Dokumenten, Bildern und anderen Medien, ist ein zentraler Bestandteil unserer Vermittlung. Es basiert auf der Auseinandersetzung mit unserer umfassenden Sammlung zeithistorischer Quellen, Biografien, historischer Studien und verschiedener audiovisueller sowie digitaler Erinnerungsmedien.
Der Umgang mit Geschichte ist ein dynamischer Prozess, der eine stetige Auseinandersetzung erfordert. Dialog und Zusammenarbeit sind daher wichtige Bausteine unserer Arbeit, sowohl zwischen uns Mitarbeiter*innen als auch zwischen uns, unseren Besucher*innen und der Öffentlichkeit. Wir sind lokal und international vernetzt und transkulturell ausgerichtet.
Wir vernetzen uns über vielfältige Kooperationen mit Partnern in Deutschland und international. Durch diese Zusammenarbeit und unsere interdisziplinären Ansätze erweitert sich die Perspektive auf unsere Arbeit kontinuierlich.
Berlin-Wannsee, im August 2022