"Berlin lebt auf!" Pressemeldungen zum Nachkrieg
Entschädigung
Soforthilfeprogramme für Lagerinsassen und diejenigen, die im Versteck überlebt haben oder aus der Emigration zurückkehren, stellen deutschlandweit den Beginn der Bemühungen um „Wiedergutmachung“ dar.
Meistens werden sie von lokalen „Opfer des Faschismus“-Ausschüssen getragen. Bis ein Verfahren zur Kompensation von Schäden durch Zerstörung und Verlust und für Schaden an Gesundheit, Freiheit, beruflichem Fortkommen und Leben etabliert ist, dauert es hingegen noch Jahre.
In der SBZ und in Ost-Berlin wird 1949 in der „Anordnung zur Sicherheit der rechtlichen Stellung der anerkannten Verfolgten des Naziregimes“, kurz VdN-Anordnung, unter anderem ein vereinfachter Zugang zum Rentensystem festgeschrieben. Da die Zahlungen an einen Wohnsitz in der DDR gebunden sind, werden viele jüdische Verfolgte, die nicht in ihre alte Heimat zurückkehren, davon ausgeschlossen.
In der Bundesrepublik tritt das Bundesentschädigungsgesetz rückwirkend zum 1. Oktober 1953 in Kraft. Grundvoraussetzung für den Zugang zu materiellen Leistungen ist es, überhaupt als verfolgt anerkannt zu werden. Diese Anerkennung wird vielen Gruppen jahrzehntelang verwehrt.
Chronologie
Bescheinigung des Hauptausschusses „Opfer des Faschismus“ vom Januar 1946
Der Adressat dieser Bescheinigung, der spätere „SED-Staranwalt“ Friedrich Karl Kaul, engagiert sich als Anwalt für Dutzende NS-Verfolgte, deren Anträge aufgrund ihrer politischen Haltung abgewiesen werden.
OdF-Fragebogen von Robert T. Odeman vom 29. August 1945
Der Musiker und Schauspieler Robert T. Odeman (1904-1985) ist aufgrund seiner Homosexualität bis 1945 im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert. Seine Anträge auf Entschädigung bleiben erfolglos, da es ihm nicht gelingt, als „politisch verfolgt“ anerkannt zu werden.
Protestdemonstration für „Volle Wiedergutmachung auch der Schwulen KZ-Opfer“, 1980er-Jahre
Der § 175 des deutschen Strafgesetzbuches, der sexuelle Handlung zwischen Männern unter Strafe stellte, tritt 1872 in Kraft. Im Nationalsozialismus wird er 1935 erheblich verschärft und ausgeweitet. Der entsprechende Paragraph besteht in beiden deutschen Staaten in unterschiedlicher Form noch lange fort. In der Bundesrepublik wird er erst ab 1969 zögerlich und in mehreren Schritten reformiert. Homosexuelle sind deshalb lange Jahre faktisch von Wiedergutmachungszahlungen ausgenommen, da ein entsprechender Antrag einer Selbstanzeige gleich kommt. 1988 wird der § 175 aus dem DDR-Strafgesetzbuch gestrichen, 1994 wird er auch für das Gebiet der alten Bundesrepublik ersatzlos aufgehoben.
Demonstration von 220 Sinti und Roma vor dem Bundeskriminalamt in Wiesbaden am 28. Januar 1983, anlässlich des 50. Jahrestages der Machtübertragung an die Nationalsozialisten
In Deutschland kämpft eine Bürgerrechtsbewegung lange vergeblich für eine Anerkennung als „rassische“ Verfolgte des Nationalsozialismus. Bis zur schrittweisen Akzeptanz auch in Entschädigungsverfahren und bis zur Einweihung eines „Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas“ neben dem Reichstag im Jahr 2012 vergehen Jahrzehnte.