"Berlin lebt auf!" Pressemeldungen zum Nachkrieg
Verdrängung
Die meisten Deutschen wollen sich nach der Befreiung nicht mit den moralischen Dimensionen ihrer Täter- oder Mitläuferrolle beschäftigen.
Die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den von Ottomar Geschke in der „Berliner Zeitung“ aufgeworfenen Fragen ist jahrzehntelang verschwindend gering. Stattdessen fordern viele, einen „Schlußstrich“ zu ziehen. Einzig die Überlebenden der Verbrechen kämpfen gegen das Schweigen.
Im Ostteil Deutschlands ist sehr bald die Behauptung Staatsdoktrin, dass die Bevölkerung vollständig antifaschistisch eingestellt sei. Im Westen wird denjenigen, die selbstkritisch zurückblicken, unterstellt, damit der kommunistischen Propaganda der DDR Vorschub zu leisten.
So wächst über die nachfolgenden Jahrzehnte im fortwährenden Verdrängen und Verleugnen der ursprünglichen Schuld nach 1945 eine moralische Last, die Ralph Giordano als die „zweite Schuld“ bezeichnet hat. Und die durch das altersbedingte Verstummen derjenigen, die dann doch irgendwann bereit gewesen sind, zu sprechen und Zeugnis abzulegen, fortdauert.
Chronologie
Briefmarke mit dem Konterfei des Überlebenden und Politikers Ottomar Geschke
Der Autor des Zeitungsartikels hat in der Weimarer Republik der KPD-Reichstagsfraktion angehört und ist seit 1933 Häftling in mehreren Konzentrationslagern. Im Mai 1945 wird er Stadtrat für Soziales von Berlin und erwirbt sich in den darauffolgenden Jahren überparteiliche Anerkennung in seiner Funktion als Vorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN).
Wahlplakat der FDP von 1949
Die Partei fordert im ersten Bundestagswahlkampf ein Ende der Entnazifizierung.