Bodenreinigung: Zugang für Rollstuhl eingeschränkt

Nach und nach bekommt der Boden unseres Hauses, fast fünfeinhalb Jahre nach Eröffnung der dritten Dauerausstellung im Januar 2020, eine Grundreinigung. 

Der Zugang vom Foyer zur Dauerausstellung im Erdgeschoss des Hauses ist leider für Rollstühle nicht passierbar. 

Wir müssen derzeit vier Räume im Erdgeschoss schließen. Die Inhalte der geschlossenen Räume fassen wir hier für Sie zusammen. Sie stehen Ihnen auch in unserem gedruckten Katalog zur Verfügung.

© GHWK
Vier Räume der Dauerausstellung sind nicht geöffnet.

 

Raum 7 ist geschlossen.

Titel des Raumes 7 ist:

Die Beteiligung der Gesellschaft

Auf der einführenden Tafel des Raumes steht: “Die Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung wird nicht nur von Staat und Partei betrieben. Viele Einzelne unterstützen die antijüdische Politik oder gewinnen dadurch Vorteile. Andere sind gleichgültig oder schauen weg. Das Wissen um die Verbrechen verbreitet sich schnell. Trotzdem helfen nur sehr wenige Menschen den Verfolgten, vor allem in Deutschland. Nach dem Krieg will die große Mehrheit nichts mit den begangenen Verbrechen zu tun haben. Die eigene Beteiligung wird verleugnet, die Schuld einigen wenigen zugeschoben. Überlebende Jüdinnen und Juden fordern Aufklärung, Entschädigung und Bestrafung.”

Im Unterkapitel Mitwirkung vor 1945 steht einführend:

“Es gibt viele Formen, in denen Einzelne sich an den Verbrechen beteiligen. Viele profitieren vom Ausschluss der Jüdinnen und Juden aus dem Arbeitsmarkt oder bereichern sich an ihrem Eigentum. Berichte aus den besetzten Gebieten machen einen Teil der Verbrechen bekannt. Die Deportationen sind für alle sichtbar. Trotzdem schauen viele weg. Andere verraten Jüdinnen und Juden, die untergetaucht sind. In den letzten Monaten des Krieges beteiligen sich manche sogar an den Morden in ihrer Region. Nicht alle nicht-jüdischen Deutschen teilen die mörderischen Ziele des NS-Regimes. Doch nur sehr wenige stellen sich ihnen entgegen oder bieten den Verfolgten Hilfe an.”

Im Unterkapitel Gesellschaftlicher Umgang nach 1945 steht einführend:

“Nach dem Krieg wollen die meisten Deutschen sich nicht mit ihren Verbrechen beschäftigen. Versuche der Alliierten, sie damit zu konfrontieren, stoßen weitestgehend auf Ablehnung. Die Alliierten entlassen NS-Funktionsträger und Beteiligte an den Verbrechen aus dem öffentlichen Dienst. Ihre Bemühungen werden jedoch vielfach unterlaufen. Schon bald wird die Forderung nach einem Ende der Entnazifizierung laut. Der Kalte Krieg führt zur Gründung von zwei deutschen Staaten. Die politischen Unterschiede sind groß. NS-Belastete werden in unterschiedlichem Ausmaß in die Gesellschaft integriert. Die Überlebenden der Verbrechen kämpfen gegen das Schweigen. Sie fordern Bestrafung, Entschädigung und Erinnerung.”

Die Biographie von Dr. Martha Mosse wird in einer Hörstation vorgestellt:

Martha Mosse berichtet über ein Treffen im Herbst 1941. Bis 1933 hat die Juristin im Berliner Polizeipräsidium im Rang einer Polizeirätin gearbeitet. Seit ihrer Entlassung leitet sie die Wohnungsberatungsstelle in der Jüdischen Gemeinde. 1939 hat das NS-Regime alle Jüdischen Gemeinden gezwungen, sich in der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland zusammenzuschließen. Das von Martha Mosse erwähnte Treffen findet zwei Jahre später statt. Die Anwesenden beraten über eine Forderung der Berliner Gestapo: Die jüdischen Funktionäre sollen die Zusammenstellungen von Deportationen mit organisieren.

“Am gleichen Abend fand eine Beratung zwischen den Vorständen der Reichsvereinigung der Juden und der Jüdischen Gemeinde statt, bei der auch ich zugegen war. [...] Trotz erheblicher Bedenken entschloss man sich dann doch, dem Wunsch der Gestapo, bei der Umsiedlung mitzuwirken, zu entsprechen, weil man hoffte auf diese Weise so viel Gutes wie möglich im Interesse der Betroffenen tun zu können.”

Dr. Martha Mosse, zitiert nach dem Katalog der Dauerausstellung im Haus der Wannsee-Konferenz, S. 182

Diese Möglichkeiten sind jedoch sehr begrenzt. Martha Mosse versucht, einzelne Personen vor der Verschleppung zu schützen, indem sie Rückstellungsgesuche schreibt. Sich der Aufgabe gänzlich entziehen kann sie nicht. 1943 wird sie selbst ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Hier ist Martha Mosse in der “jüdischen Selbstverwaltung” eingesetzt, die von den Nationalsozialisten kontrolliert wird. Sie ist unter anderem für die Aufklärung kleinerer Eigentumsdelikte zuständig. Nach dem Krieg muss sie sich gegenüber anderen Überlebenden für ihre Tätigkeiten rechtfertigen. Ab 1948 arbeitet Martha Mosse wieder bei der Berliner Polizei.


Raum 8 der Ausstellung ist ebenfalls geschlossen.

Titel des Raumes 8 ist:

Auseinandersetzungen um die “Wannsee-Konferenz”

Auf der einführenden Tafel des Raumes steht: “Es sind zunächst vor allem jüdische Überlebende, die die Besprechung am Wannsee ins Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen. Seit Mitte der 1960er Jahre fordert der Historiker Joseph Wulf, in der Villa ein Dokumentationszentrum einzurichten. Das Anliegen wird von namhaften Persönlichkeiten im In- und Ausland unterstützt. Trotzdem scheitert Wulf mit seinem Vorhaben. Nach langjährigen Debatten eröffnet 1992 die heutige Gedenk- und Bildungsstätte. Das Protokoll wird in Deutschland erstmals in den 1950er Jahren veröffentlicht. Eine breitere Öffentlichkeit beschäftigt sich jedoch erst viele Jahre später mit der Besprechung, die nun als ‘Wannsee-Konferenz’ bezeichnet wird. Bis heute gibt es Versuche, das Protokoll als Fälschung darzustellen und die NS-Verbrechen zu verharmlosen.”

Die Biographie von Dr. h.c. Joseph Wulf wird in einer Hörstation vorgestellt:

“Als ich in Auschwitz frei wurde, habe ich mir geschworen: Ich werde mich bis zum Ende meines Lebens nur mit der Geschichte des Dritten Reichs beschäftigen.” So beschreibt der Historiker Joseph Wulf seine selbst gewählte Lebensaufgabe. Joseph Wulf wird in Chemnitz geboren und wächst in Krakau auf. Er will Schriftsteller werden und veröffentlicht 1939 sein erstes Buch. Während der deutschen Besatzung schließt er sich dem Widerstand an. 1943 wird er von der Gestapo verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Joseph Wulf überlebt das Lager. Seine Frau Jenta und sein Sohn David verbergen sich bei einem polnischen Bauern. Nach dem Krieg setzt sich Joseph Wulf in Polen für die Aufklärung der deutschen Verbrechen ein. Auch in Schweden und Frankreich ist er kurze Zeit tätig. Seit 1952 lebt er in West-Berlin. Hier veröffentlichte er umfangreiche Dokumentationen über den Nationalsozialismus und den Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden. Sein Projekt eines Dokumentationszentrums in dieser Villa wird nicht verwirklicht. Das Vorhaben scheitert Anfang der 1970er Jahre. Joseph Wulf widmet sich neuen Projekten. Ein weiterer schwerer Schlag ist für ihn 1973 der Tod seiner Frau Jenta. Ein Jahr später nimmt sich Joseph Wulf das Leben.

 

“Du kannst dich bei den Deutschen totdokumentieren, es kann in Bonn die demokratischste Regierung sein – und die Massenmörder gehen frei herum, haben ihr Häuschen und züchten Blumen.”

Joseph Wulf, zitiert aus einem Brief an seinen Sohn, wenige Monate, bevor er sich das Leben nimmt, West-Berlin, 2. August 1974.

Raum 9 der Ausstellung sowie der schmale Flur, der die Besucher*innen zum Ausgang führt, sind ebenfalls geschlossen.

Titel des Raumes 9 ist:

Rückblick - Ausblick

Auf der einführenden Tafel des Raumes steht: “Die Besprechung am Wannsee steht für die Beteiligung von Staat und Partei am Massenmord an den Jüdinnen und Juden Europas. Doch die Umsetzung des Mordprogramms war nur möglich, weil viele Einzelne mitgemacht haben. Wenige haben sich widersetzt oder den Verfolgten geholfen. Diese Erfahrung wirkt bis heute nach. Sie beeinflusst das Denken und Handeln von Menschen und Institutionen in aller Welt. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit prägt auch unsere Gegenwart.”

Im Raum werden unter Schlagworten einige Zitate gezeigt:

VERANTWORTUNG und SCHULD: 

»Ich weiß es nicht, manchmal versuche ich nicht darüber nachzudenken, woran mein Vater teilgenommen haben kann.« Gunter Demnig, geb. 1947, Künstler 

»Ich bin davon überzeugt, dass jede*r deutsche Bürger*in schon einmal ein Gefühl von Schuld hatte, sobald vom Dritten Reich gesprochen wurde. Selbst diejenigen, die heute in Deutschland aufwachsen, sind von der Vergangenheit beeinflusst.« Nasanin, geb. 2001, Schülerin 

»Deutschland trägt eine schwere Schuld. Obwohl im Nationalsozialismus nicht alle der Meinung der Nazis waren, tragen wir die Verantwortung. Es darf nicht wieder eine schweigende Mehrheit geben, die Verfolgung, Folter und Mord zulässt.« Selma, geb. 2002, Schülerin 

»Vielfalt schlägt Einfalt. Stört Einfalt. Zwingt zu mehr. Zu anderen. Verschiebt. Mischt neu. Verlässt das Integrierte. Scheitern? Na und. Weiterkämpfen. In sich. Um sich. Um Dich.« Michel Friedman, geb. 1956, Jurist und Publizist

ERINNERUNG und GEGENWART

»Die Geschichte erklärt vieles, wird die Vergangenheit aber nie rechtfertigen können. Umso wichtiger ist es, sich zu erinnern. Daran, dass der Nationalsozialismus nicht in der Verantwortung einer Person oder Gruppe liegt, sondern fast alle ihren kleineren und größeren Teil beigetragen haben.« Amanda, geb. 2002, Schülerin 

»Unsere Stimme soll es von Generationen zu Generationen tragen: Um Gedenken, nicht um Rache, bitten unsere Schatten. Mag unser Schicksal eine Mahnung für euch – nicht eine Legende sein! Und sollten die Menschen je verstummen, werden die Steine schreien.« Franciszek Fenikowski, geb. 1922, Lyriker

»Der Nationalsozialismus lastet auf uns allen. Er vergeht nicht, und in einigen dunklen Ecken sieht man, dass der Reiz der Volksgemeinschaft auch jetzt noch verlockend wirkt. Die Verbrechen sind in allgemeiner Erinnerung, die Frage, ›wie war es möglich‹ wird nicht verjähren und jegliches Ausweichen in ›Normalität‹ ist vergeblich.« Fritz Stern, geb. 1926, Historiker 

»Die nationalsozialistische Bewegung hat eine geräuschvolle Gegenwart, aber gar keine Zukunft. Sie lebt von der Erregung plötzlich proletarisierter Schichten, die nicht wissen, welchen politischen und ökonomischen Kräften sie ihren Sturz aus bürgerlicher Geborgenheit in ein soziales Pariatum verdanken.« Carl von Ossietzky, geb. 1889, Publizist

BETROFFENHEIT

»Wenn ich schlechte Noten bekommen oder etwas verbrochen hatte, sagte sie (meine Mutter): ›Schade, dass ich aus Auschwitz herauskam, um das zu erleben.‹« Yaakov Gilad, geb. 1951 

»Als ich fünfzehn war, fragte einer meiner Mitschüler im Geschichtsunterricht plötzlich, ob ich eigentlich ›mit dem Himmler‹ verwandt sei. Ich bejahte, mit einem Kloß im Hals. Es war mucksmäuschenstill in der Klasse. Alle waren hellwach und gespannt. Die Lehrerin aber wurde nervös und machte weiter, als sei nichts geschehen. Sie verpasste eine Chance, begreiflich zu machen, was uns, die Nachgeborenen, mit diesen ›alten Geschichten‹ überhaupt noch verbindet.« Katrin Himmler, geb. 1967 

»Was soll ich, mit meiner dunklen Haut, mit Freunden in der ganzen Welt, bloß mit diesem Großvater? War er es, der meine Familie zerstörte? Fiel sein Schatten erst auf meine Mutter, schließlich auf mich? [...] Dass ich fünf Jahre in Israel studiert habe – war das Zufall oder Bestimmung? Muss ich jetzt anders mit meinen jüdischen Freunden reden, jetzt, da ich weiß: Mein Großvater hat eure Verwandten umgebracht?« Jennifer Teege, geb. 1970

 

 

Raumplan der Ausstellung: Raum 9 wegen Bodenreinigung geschlossen.