Warum wir X verlassen

Die irritierende Entwicklung von X beobachten wir seit langem: Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit werden Posts, die NS-Verbrechen relativieren, die Verschwörungstheorien und Wissenschaftsfeindlichkeit, die Antisemitismus und Rassismus und andere menschenverachtende Inhalte verbreiten, nicht nur ungenügend moderiert. Die Plattform X und sein Eigentümer tragen aktiv zur millionenfachen Verbreitung solcher Posts bei.

Wir teilen die Auffassung so vieler Personen und Institutionen, die X verlassen haben: Der Kurznachrichtendienst hat sich zu einer toxischen Umgebung entwickelt, die wir durch das Zurverfügungstellen unserer Inhalte nicht weiter unterstützen wollen.

Wir haben den Offenen Brief, der von Max Czollek und Jan Skudlarek initiiert wurde, mit unterzeichnet: “#eXit von Twitter (Offener Abschiedsbrief)” 

Er erschien am 2. Dezember 2024, wir dokumentieren ihn hier. Wir wurden dafür nicht speziell angefragt: Wir sahen den Aufruf der beiden auf ihren X- und Bluesky-Accounts und schrieben ihnen, dass wir dabei sein wollen. Wir freuen uns, dass das Jüdische Museum München und das NS-Dokumentationszentrum München ebenfalls unterzeichneten.

Die internationale Kampagne #NotOneMoreWord wurde von der Association of Jewish Refugees (AJR) in Großbritannien initiiert. Ihr englischsprachiger Aufruf, dem sich in Deutschland die Stiftung Topographie des Terrors, die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten (dazu gehört u.a. die Gedenkstätte Bergen-Belsen) und die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte (dazu gehört u.a. die Gedenkstätte Neuengamme) anschlossen, erschien am 9.12.24. Wir dokumentieren ihn hier.

Von der Kampagne erfuhren wir über ein Schreiben, dass die Kolleg*innen der AJR an Institutionen schickten, die der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) angehören. Das Schreiben und der Aufruf wurden uns am 22.11.24 von den Kolleg*innen des Gedenkstättenreferats der Stiftung Topographie des Terrors weitergeleitet.

So fragt ein User auf der Plattform Bluesky, wo wir die Kampagne mit veröffentlicht haben. Toll, dass Leute X verlassen, schreibt ein anderer User, aber warum schlüge das in Eigenwerbung um?

Wir sind zu diesem Thema mit den Kampagnen #NotOneMoreWord und #eXit "laut", werbend, wir heischen um Aufmerksamkeit (siehe unseren Pressespiegel, unsere Posts auf allen Plattformen), weil es uns bei den Kampagnen darum geht, den jetzt wahrnehmbaren "spin" zu verstärken, X zu verlassen, und dabei möglichst viele mitzunehmen, die ihre X-Accounts still legen oder löschen.

User*innen kommentieren: Die Plattform X sei doch schon lange toxisch und verstärke rechtsextreme Inhalte. Und fragen: Fällt Euch das denn jetzt erst auf?

Die Frage ist völlig berechtigt. Wir hatten am 2. Oktober 2023 unseren Bluesky-Account als Alternative zu X eröffnet. X blieb für uns aber eine wichtige Plattform der Vernetzung mit Politiker*innen und Institutionen, gerade international, gerade nach dem 7. Oktober 2023.

“Die Feinde der Demokratie bekämpft man nicht in seiner Bubble, sondern indem man sich ihnen dort entgegenstellt, wo sie res publica angreifen", schreibt uns ein Follower auf X. 

Grundsätzlich: ja! Unsere Bubble-übergreifende Social-Media-Präsenz halten wir für einen wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Sie ermöglicht es uns, in knapper und prägnanter Form auf historische Ereignisse hinzuweisen und darzustellen, welche Rolle die NS-Zeit aus unserer Sicht für politische Diskurse heute spielt. Wir können auf unseren Social-Media-Kanälen neue Zielgruppen erreichen.

Aber die Plattform X wird zu unserer Social-Media-Präsenz nicht mehr dazu gehören: siehe ganz oben, “Unsere Meinung zur Social-Media-Plattform X”.

"Beide verbreiten Falschnachrichten, Hetze und bringen unsere Gesellschaft in Gefahr", schreibt uns ein Beobachter per Mail. Ein User schreibt: “Währenddessen schaut niemand auf Facebook, Instagram, Threads (Meta), TikTok, Snapchat, Telegram."

Antisemitismus, Rassismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Ablehnung von Vielfalt, Demokratie und Menschenrechten, sprachliche Verrohung: Diesen Herausforderung stellen wir uns auf Bluesky, Instagram, TikTok, Facebook, YouTube und auch in unserer “analogen” Bildungsarbeit oder auch in unserem Gästebuch, das in Papierform bei uns ausliegt. 

Die Plattform X jedoch ist von ihrem Eigentümer bewusst zu einem Ort gemacht worden, wo unter dem Deckmantel von Meinungsfreiheit die eingangs genannten Herausforderungen so überhand nehmen, dass wir die Plattform mit unseren Inhalten nicht länger unterstützen wollen: Die Nachteile eines Verbleibs überwiegen die Vorteile.

Verschlossene Accounts (sichtbar an einem Schloss-icon) können nur von Follower*innen eingesehen werden. Aber wir haben uns für einen kompletten Weggang entschieden, um eine Zahl weniger für diese Plattform zu sein - wissend, dass ein Account nichts zählt, aber daher ja die Kampagne.

Ja. Der Kurznachrichtendienst Bluesky ist innerhalb von Twitter entstanden. Bluesky ist auch deshalb eine erfolgreiche X-Alternative, weil sie fast gleich in der Bedienung sind. Nach der Übernahme von Twitter durch Elon Musk und nach dem Umbau von Twitter zu X ist Bluesky kontinuierlich gewachsen. Seit dem Engagement von Musk im US-amerikanischen Wahlkampf ist Bluesky enorm gewachsen. 

Wir sind seit Oktober 2023 bei den Kurznachrichtendiensten Bluesky und X parallel gewesen. Nunmehr nutzen wir nur noch Bluesky. Das ist unser Account dort, mit bereits über 3.000 Follower*innen (Stand 5.12.24):

https://bsky.app/profile/wannseekonferenz.bsky.social

Darüber hinaus posten wir weiterhin regelmäßig bei TikTok, Instagram, Facebook und weniger regelmäßig auf YouTube.