Aufstand im Warschauer Ghetto
Vor 80 Jahren, im Frühjahr 1943, vernichteten SS und Polizei in Warschau die Reste der einst größten jüdischen Gemeinde Europas, die dabei massiv Widerstand leistete. Das Vorgehen der Täter ist im Abschlussbericht des kommandierenden SS- und Polizeiführers Jürgen Stroop auf einzigartige Weise überliefert. Privatdozent Dr. Martin Cüppers, wissenschaftlicher Leiter der Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart, hat diese Quelle genauer untersucht
Jüdische Selbstbehauptung in Warschau
Seit der Bildung und Abriegelung des Ghettos Mitte November 1940 war der Alltag der dorthin gezwungenen Menschen von systematischer Unterversorgung, massenhaftem Hunger, der Ausbreitung von Seuchen und verheerenden Sterberaten geprägt gewesen. Hinzu kamen Zwangsarbeit und der tägliche Terror durch die SS als weitere Formen nationalsozialistischer Judenpolitik. Zeitweise hatten sich annähernd eine halbe Million Jüdinnen und Juden im Warschauer Ghetto gegen die Deutschen zu behaupten versucht. Neben aller Verfolgung und Leid ist deren Geschichte auch eine von entschiedenem Widerstand gegen die Intention der Nationalsozialisten, Humanität und Mitmenschlichkeit im Überlebenskampf zu zerstören und kulturelle und religiöse Traditionen auszulöschen. So organisierten zahllose Menschen Lebensmittel, stellten medizinische Versorgung sicher und bewahrten ihre Identität und Traditionen durch eine Vielzahl von Konzerten, Aufführungen, Lesungen und im Verborgenen abgehaltenen Gottesdiensten.1 Historikerinnen und Chronisten um Emanuel Ringelblum gründeten die Gruppe Oneg Shabbat [Freude am Shabbat], die Zeugnisse vom Leben, Sterben und von alltäglicher Selbstbehauptung im Ghetto systematisch sammelte, selbst verfasste und für die Nachwelt aufbewahrte. Das versteckte und nach dem Krieg zu großen Teilen wiederendeckte Archiv bildet heute eine ungemein wertvolle Überlieferung zur Geschichte der vernichteten jüdischen Gemeinde unter nationalsozialistischer Herrschaft.2
Mit dem Sommer 1942 änderte sich nochmals alles. Im Ghetto gesammeltes und diskutiertes Wissen über die in anderen Teilen Polens begonnene Shoah hatte zu ersten Versuchen geführt, eine antinazistische Widerstandsstruktur aufzubauen. Diese wurden jäh vom Beginn der Massendeportationen in den Tod unterbrochen. In den neun Wochen vom 22. Juli bis zum 21. September 1942 deportierte die SS im Rahmen der „Aktion Reinhard“ weit mehr als eine Viertelmillion jüdische Kinder, Frauen und Männer und ermordete sie in den Gaskammern von Treblinka. Danach kehrte im stark verkleinerten Ghetto erschütterte Ruhe ein. Traumatisiert und beschämt mussten die Überlebenden realisieren, dass sie einmal mehr den verlogenen Täuschungen der Deutschen geglaubt und die Deportation ihrer Liebsten und Nächsten meist nicht verhindert hatten. „Warum hatte der Feind so leichtes Spiel?“, notierte Ringelblum Mitte Oktober entsetzt.3 Vorher von den meisten noch vehement abgelehnt, entwickelten sich nun direkte Widerstandsformen gegen die Nationalsozialisten und ihre Helfer unter den kaum mehr als 60.000 Überlebenden zum Massenphänomen.
Die Mehrzahl der Menschen musste in den letzten im Ghetto verbliebenen „kriegswichtigen“ Betrieben Zwangsarbeit leisten und war damit offiziell registriert. Außerdem hatten sich etwa 25.000 im Anschluss an die Deportationen für ein Leben in der Illegalität entschieden. Sie verbargen sich in den menschenleeren Wohnblocks und mussten Nahrungsmittel unter vielerlei Gefahren organisieren. Kontrollen, ein zufälliges Zusammentreffen mit Deutschen oder den nach finanzieller Erpressung trachtenden polnisch-nichtjüdischen „Greifern“ konnten jederzeit den Tod bedeuten.4 Zunehmend begannen sich die Überlebensstrategien von „offiziell“ Arbeitenden und den im Ghetto als „Wilde“ bezeichneten „Illegalen“ aber anzugleichen: In Dachböden und Wohnungen oder unterirdisch in sogenannten Bunkern wurden hunderte von Verstecken gemauert und gegraben, in denen sich die Menschen den kommenden Deportationsversuchen widersetzen wollten. Gleichzeitig galt es, unter enormen Schwierigkeiten Vorräte anzulegen und zusätzliche Ausrüstung zu sammeln, um wochenlanges Überleben in der Isolation gewährleisten zu können. Einen Ansporn sahen laut Rachel Auerbach von Oneg Shabbat Anfang 1943 viele auch in der im Restghetto breit reflektierten Kriegslage und der damit einhergehenden „Überzeugung, dass der Krieg bald zu Ende gehen würde, besonders angesichts Stalingrad“.5 Sämtliche massenhaft verwirklichten Vorbereitungen zum Widerstand geschahen im Verborgenen, jenseits des Ghettoalltags, und tatsächlich blieb deren Ausmaß der Aufmerksamkeit der Deutschen weitgehend verborgen.
Ein kleiner Teil der Menschen begann sich außerdem zu bewaffnen. Zeugnisse von individuellen Initiativen sind nur in Ausnahmenfällen überliefert. Aber neben der im Familienzusammenhang oder anderen sozialen Bindungen organisierten Selbstbewaffnung formierten sich im Ghetto zwei größere jüdische Kampforganisationen. Linkszionistisch orientierte Jugendverbände gründeten bereits Ende Juli 1942 die Żydowska Organizacja Bojowa [Jüdische Kampforganisation, ZOB]. Monate später schlossen sich noch die mitgliederstarke sozialistisch-jüdische Arbeiterpartei Bund sowie Angehörige der kommunistischen Polska Partia Robotnicza [Polnische Arbeiterpartei, PPR] der durch die Massendeportationen bereits geschwächten Kampforganisation an. Zum Kommandeur der ZOB wurde der erst 24-jährige Mordechaj Anielewicz bestimmt. Unter seiner Führung gelang es, die politischen Fraktionen für den gemeinsamen Kampf gegen die Nationalsozialisten zu einen. Bei den Vorbereitungen sollte sich neben fehlender militärischer Ausbildung und mangelnder Kampferfahrung der eklatante Mangel an Waffen aber als das schwerwiegendste Problem erweisen.6
Als zweites Kampfbündnis im Ghetto gründete sich im rechtszionistischen, sogenannten revisionistischen Spektrum um die Jugendorganisation Betar der Żydowski Związek Wojskowy [Jüdische Militärverband, ZZW]. In dessen Reihen standen vielfach frühere Soldaten der polnischen Armee mit entsprechend professioneller militärischer Ausbildung. Fortbestehende Kontakte zu Fraktionen des nationalpolnischen Widerstands halfen dabei, eine deutlich bessere Bewaffnung zu organisieren.7 Beeindruckt notierte der linkszionistisch orientierte Ringelblum nach einem kurz vor Aufstandsbeginn unternommenen Besuch der ZZW-Zentrale am Muranowski-Platz:
„Der Raum summte vor lauter Tatendrang und erinnerte an ein militärisches Hauptquartier. Sie nahmen Berichte über Enteignungen entgegen, die von unterschiedlichen Gruppen durchgeführt wurden, um reichen Juden Geld für Waffen abzupressen. Ich wurde Zeuge eines Geschäfts mit einem ehemaligen Offizier der polnischen Armee, bei dem der ŻZW 250.000 [Zloty] für Waffen bezahlte und eine Anzahlung von 50.000 leistete.“8
Im Unterschied zur ZOB hatte der ZZW entschieden, die eigenen Reihen auch für bewaffnete Kleingruppen und Einzelpersonen jenseits des eigenen politischen Spektrums zu öffnen. Und während die ZOB mit insgesamt 22 aus je 10-12 Personen bestehenden Kampfgruppen Positionen in allen Bereichen des Restghettos bezog, konzentrierte der ZZW sein Aktionsfeld auf den nordöstlichen Bereich des Zentralghettos rund um das Hauptquartier am Muranowski-Platz. Insbesondere wegen fehlender Waffen blieb die Kampfstärke beider Organisationen begrenzt. Am Vorabend des Ghettoaufstands dürfte die ZOB aus kaum mehr als 300, der ZZW aus etwa 250 Bewaffneten bestanden haben. Ungefähr ein Prozent der gesamten Ghettobevölkerung verfügte damit über Waffen und bereitete sich auf die direkte Konfrontation mit der SS vor.9 Beide Kampforganisationen hatten ihre Reihen auch Frauen geöffnet, die unter nationalsozialistischer Besatzung längst eine herausragende Rolle im Widerstand innehatten. Ganz bewusst wurde so auch die ideologisch bedingte Blindheit der Nationalsozialisten taktisch ausgenutzt: Unter den Augen der in ihrem sexistischen Rollenverständnis verhafteten Deutschen übernahmen Jüdinnen gezielt zentrale Aufgaben bei der Nachrichtenübermittlung und Kommunikation, beim Waffenschmuggel oder den bewaffneten Aktionen selbst.10
Als die Nationalsozialisten am 18. Januar 1943 überraschend ins Ghetto einfielen, um die Bevölkerung durch die beabsichtigte Deportation von 8.000 Menschen nochmals entscheidend zu dezimieren, empfing sie erstmals massiver bewaffneter Widerstand. Im Verlauf der Zusammenstöße töteten Kämpferinnen und Kämpfer der ZOB mehrere Deutsche und die SS zog sich nach vier Tagen vorerst zurück, ohne die Deportationszahlen erreicht zu haben. Himmler befahl daraufhin noch im Februar die endgültige Ghettoliquidierung und argumentierte, dass „wir Warschau sonst wohl niemals zur Ruhe bringen werden und das Verbrecherunwesen bei Verbleiben des Ghettos nicht ausgerottet werden kann“.11 Spätestens seit den Januarkämpfen verloren die Deutschen in der Ghettobevölkerung endgültig an Autorität, die sich fortan an den jüdischen Kampforganisationen orientierte. Deren vielbeachtete Aufrufe halfen den Menschen, sich zu organisieren. Ergänzend sabotierten ZOB und ZZW mit ihren direkten Angriffen die deutsche Kriegswirtschaft und verübten spektakuläre Anschläge auf einige der berüchtigtsten jüdischen Handlanger der SS.12
Ghettoaufstand und Erinnerung
In den frühen Morgenstunden des 19. April 1943 drangen SS und Polizei in Marschformation ins Ghetto ein, um dessen Existenz endgültig zu beenden. Das Datum markierte zugleich den ersten Tag des Pessach-Festes, womit die Deutschen einmal mehr den Auftakt zu einer ihrer Mordaktionen in infamer Weise auf einen hohen jüdischen Feiertag gelegt hatten. Aber an diesem Morgen wurden sie zu ihrem Entsetzen schon nach wenigen Metern von verschiedenen Seiten beschossen, mit Brandflaschen beworfen und wegen der Intensität der Angriffe auch bald wieder hinter die Ghettomauern zurückgeschlagen. Unmittelbar nach dem Debakel übernahm der von Himmler schon vor Tagen zum neuen Warschauer SS- und Polizeiführer bestimmte Jürgen Stroop offiziell das Kommando über den Gesamteinsatz. 1895 in Detmold geboren, hatte er sich nach einer Ausbildung als Katasteramtsgehilfe 1932 den Nationalsozialisten angeschlossen und war kurz darauf auch der SS beigetreten. Dort realisierte Stroop eine ansehnliche Karriere, die ihn auf unterschiedliche Posten im deutsch besetzten Polen und der Sowjetunion führte, bevor Himmler ihn im Rang eines SS-Brigadeführers und Generalmajors der Polizei zur Ghettovernichtung nach Warschau rief. Nachdem im Anschluss an die ersten Kämpfe ein klareres Lagebild existierte, befahl Stroop seiner schwer bewaffneten Übermacht noch am gleichen Morgen einen erneuten Angriff. Doch die massive jüdische Gegenwehr dauerte an und zwang ihn schließlich, seine Truppen ohne vorzeigbares Ergebnis aus dem Ghetto abzuziehen.13
Am zweiten Aufstandstag schuf der ZZW am Muranowski-Platz mit dem Hissen der zionistischen und polnischen Flagge auf dem Dach von Hausnummer 7 eines der vielbeachteten Aufstandssymbole. Weithin sichtbar, wurden die Fahnen auch von der Stadtbevölkerung jenseits des Ghettos wahrgenommen, weshalb Himmler äußerst erbost die sofortige Beendigung der schmachvollen Szenerie verlangte. SS-Soldaten gelang es jedoch erst Tage später, die Fahnen einzuholen.14 Angesichts des erfolgreichen Widerstands sind für die jüdische Seite Erleichterung, Genugtuung und unverkennbarer Stolz überliefert. Mordechai Anielewicz schrieb in einem Brief: „Was wir erlebt haben, lässt sich mit Worten nicht beschreiben. Wir hätten es in unseren kühnsten Träumen nicht zu hoffen gewagt. Zweimal zwangen wir die Deutschen, das Ghetto fluchtartig zu verlassen.“15 Auf der Gegenseite eingesetzte SS- und Polizeiangehörige haben den jüdischen Erfolg in Nachkriegsvernehmungen ebenfalls facettenreich beschrieben, was etwa folgendermaßen klang:
„Wir bekamen wiederholt Beschuss, vereinzelt wurden auch Handgranaten auf uns geworfen, so dass wir in Deckung gehen mussten. Von einem anderen Polizeibeamten habe ich auch gehört, dass einmal eine Frau auf einen Polizeibeamten geschossen hat, allerdings ohne ihn zu treffen. Es ist im Ghetto also drunter und drüber gegangen, es herrschte ein regelrechter Kriegszustand.“16
In den kommenden Wochen kam es immer wieder zu erbitterten Kämpfen mit neuen Opfern auch auf deutscher Seite, und der ursprünglich von Stroop auf drei Tage veranschlagte Einsatz zog sich extrem in die Länge. Ende April ließ die polnische Exilregierung im Namen ihres Warschauer Bevollmächtigten einen Solidaritätsaufruf für die im Restghetto Angegriffenen veröffentlichen, darin der an die Stadtbevölkerung gerichtete Schlüsselsatz: „Die polnische Gesellschaft tut recht daran, mit den gejagten und verfolgten Juden Mitleid zu empfinden und ihnen zu helfen.“17 Vor allem um den 25. April, während der Osterfeiertage, war es jenseits der Mauern zu Menschenansammlungen gekommen, wobei Jüdinnen und Juden im Ghetto allerdings feststellen mussten, dass nur Wenige echte Anteilnahme oder Solidarität erkennen ließen.18 Nachrichten vom Aufstand hatten da längst auch eine internationale Öffentlichkeit erreicht. Bereits am 22. April sendete der in London arbeitende polnische Untergrundsender Świt einen ausführlichen Bericht, es folgten Meldungen und Artikel unter anderem in zahlreichen US-Tageszeitungen.19 Und das kämpfende Warschauer Ghetto ermutigte den antinazistischen jüdischen Widerstand auch anderswo. Sowohl die Aufstände in den Vernichtungslagern Treblinka, Sobibor und im Krematorium von Birkenau als auch die in verschiedenen Ghettos im deutsch besetzten Europa wurden davon inspiriert.20
Für Stroop musste nach dem Debakel der ersten Tage im Vordergrund stehen, mit seinen SS- und Polizeiformationen überhaupt die Kontrolle über das Restghetto wiederzuerlangen. Gleichzeitig versuchten die Deutschen, die ursprünglich geplante Verlagerung kriegswichtiger Betriebe mitsamt ihrer jüdischen Arbeitskräfte in den Distrikt Lublin zumindest in den sicher erscheinenden Bereichen voranzutreiben. Mit zunehmender Dauer des Einsatzes nahmen auf deutscher Seite aber unübersehbar Ratlosigkeit, Wut und Frustration angesichts der Vehemenz der jüdischen Verweigerung überhand. Letztlich endete die Niederschlagung des jüdischen Widerstands in einem monströsen Gewaltexzess, in dessen Verlauf das Ghetto systematisch niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht wurde. Noch lebend aufgegriffene Bewohner wurden vielfach gleich am Ort der Gefangennahme oder an zentralen Erschießungsplätzen ermordet. Diejenigen, die deportiert werden sollten, mussten spätestens am Umschlagplatz Misshandlungen oder ihre Ermordung und Frauen zusätzlich die Vergewaltigung durch dort eingesetzte Trawniki-Männer befürchten.21
Bis heute ist der Warschauer Ghettoaufstand vielfach beschrieben worden und dessen immense historische Bedeutung steht außer Frage. Manche Kapitel der Aufstandsgeschichte sind dabei sowohl wissenschaftlich als auch erinnerungskulturell deutlich stärker wahrgenommen worden als andere. Der Kampf der ZOB unter Mordechai Anielewicz ist mitunter faktisch mit dem Ghettoaufstand gleichgesetzt worden, was auch daran liegt, dass es manchen ihrer Kämpferinnen und Kämpfer gelang, sich rechtzeitig aus dem Ghetto zurückzuziehen und zu überleben. Dadurch konnten legendäre Führungspersönlichkeiten der ZOB wie Zivia Lubetkin oder Yitzhak Zuckerman nach der hart umkämpften und letztlich erfolgreichen Gründung Israels einen wichtigen geschichtspolitischen Beitrag zum wehrhaften Selbstverständnis des Landes liefern.22 Marek Edelman, ein weiterer ZOB-Kommandeur vom jüdisch-sozialistischen Bund, hatte dagegen entschieden, im Nachkriegspolen zu bleiben, wo er sich erfolgreich Disziplinierungs- und Vereinnahmungsversuchen des Regimes widersetzte. Mit seinen Büchern, Artikeln, Interviews und Reden entwickelte er sich weit über Polen hinaus zur lebenden Legende und zu einem Bewahrer der Erinnerung an den sozialistisch inspirierten Kampf im Warschauer Ghetto.23
Ganz im Gegensatz zur ZOB blieb der Kampf des ZZW lange Zeit vergleichsweise wenig beachtet. Nur wenige Kämpferinnen und Kämpfer des Militärverbands hatten den Aufstand überlebt, wodurch nach 1945 kaum jemand die Widerstandsgeschichte angemessen erinnern konnte. Aus politischen Gründen existierte in Israel dann lange kein Interesse, daran Grundlegendes zu ändern.24 Und es gibt weitere unterrepräsentierte Forschungsfragen und damit einhergehende Lücken in der Erinnerungskultur: Bei aller Würdigung des bewaffneten Aufstands blieb lange Zeit vor allem der massenhafte Widerstand der Ghettobevölkerung vergleichsweise unbeachtet.25 Vorrangig gegen diese unbewaffnete Mehrheit richtete sich aber der Einsatz der Deutschen in seinem Charakter als ein abschließendes, gigantisches Inferno. Dazu liefert der zentrale Abschlussbericht der Täter vielsagende Einblicke.
Der Stroop-Bericht als Quelle zum Ghettoaufstand
Neben dem bemerkenswert breiten Quellenspektrum erhaltener jüdischer Perspektiven liegt der sogenannte Stroop-Bericht des gleichnamigen SS- und Polizeiführers von Warschau als das zentrale Dokument deutscher Provenienz zu den Ereignissen des Frühjahrs 1943 in sogar zwei Versionen vor. Angesichts einer ursprünglich angefertigten Kleinstauflage von höchstens vier Exemplaren und vor dem Hintergrund der systematischen Spurenbeseitigung der Nationalsozialisten spätestens in der Kriegsendphase markiert das einen außergewöhnlichen Zufall. Unter dem Titel „Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr!“ vermittelt der aus zwei schriftlichen Teilen sowie einer Sammlung von Fotos zusammengesetzte Bericht in bemerkenswerter Dichte die Sicht der verantwortlichen SS auf Phasen und Strategien der Aufstandsbekämpfung und der damit einhergehenden Vernichtung des jüdischen Warschaus. Wegen Autorenschaft und Adressaten kann der Stroop-Bericht keinerlei Objektivität zum Thema für sich in Anspruch nehmen. Dennoch liegt damit eine vielsagende Quelle zum mörderischen deutschen Vorgehen im Warschauer Ghetto vor. Sie zeugt anschaulich von praktischen Konsequenzen des Vernichtungsantisemitismus und offenbart das letzte Kapitel nationalsozialistischer Judenpolitik in Warschau auf vielschichtige Weise. Nicht von ungefähr ist die Quelle auf polnische Initiative 2017 in die Liste des Dokumentenerbes der UNESCO aufgenommen worden.26
Durch das Fehlen jüdischer Bildquellen ist die visuelle Erinnerung zum Warschauer Ghettoaufstand bis heute ganz erheblich von den Stroop-Fotos geprägt. Vollkommen verselbstständigt hat sich insbesondere das berühmte Foto des Jungen mit den erhobenen Händen, das sich mit der Zeit zu einem geradezu ikonischen Symbol für die Shoah insgesamt entwickelt hat. Unzählige Male ist das Motiv mittlerweile in unterschiedlichsten Zusammenhängen und häufig ohne jede Kontextualisierung verwendet worden.27 Auch andere Aufnahmen aus dem Stroop-Bericht wurden vielfach publiziert, ohne dass deren eigentlicher Bedeutungszusammenhang eine angemessene Erwähnung gefunden hätte. Die Stroop-Fotos sind damit ein gutes Beispiel dafür, wie Abzüge, die ursprünglich zur Bebilderung und der Legitimierung des Handelns nationalsozialistischer Täter entstanden, von der Nachwelt als bloße Illustration verwendet werden und damit auch ein bestenfalls mit derartigen Bildquellen vermittelbarer Erkenntnisgewinn verstellt bleibt.28
Seit den 1950er Jahren wurde der Stroop-Bericht in mehreren wichtigen Editionen einer breiteren, auch internationalen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dennoch ist die Gesamtquelle bis heute erstaunlicherweise kaum systematisch analysiert worden.29 Dabei bieten schon allein die drei Berichtsformen – Abschlussbericht, Tagesberichte und Fotos – einzigartige Voraussetzungen für eine kritische Untersuchung. Zusätzlich mit einschlägigen weiteren Quellen kontextualisiert, eröffnen sich unterschiedlichste Fragestellungen und vielversprechende Perspektiven. Wenn das immanente Potential des Gesamtdokuments ausgeschöpft und damit der Stroop-Bericht als Quelle ernst genommen wird, lassen sich wertvolle Erkenntnisse zum Thema erzielen.
Entstehung und Überlieferung des Stroop-Berichts
Der unmittelbare Entstehungskontext ist vergleichsweise gut überliefert. Nach seiner Kommandoübernahme sandte Stroop seit dem 20. April 1943 mindestens einmal täglich einen zusammenfassenden Bericht an den Höheren SS- und Polizeiführer Friedrich-Wilhelm Krüger, seinen direkten Vorgesetzten in Krakau, der die Meldungen wiederum an Himmler weiterleitete. Diese Fernschreiben bilden die inhaltliche Grundlage für den späteren, zusammenfassenden Abschlussbericht. Krüger soll nach Stroops Darstellung bei seinem Besuch in Warschau am 2. Juli die Anweisung gegeben haben, auch Fotos vom Einsatz anfertigen zu lassen. Da manche der Aufnahmen jedoch eindeutig früher entstanden sind, muss Stroop schon davor entsprechende Anweisungen gegeben haben. In seiner Tagesmeldung vom 13. Mai kündigte er an, für die fünf Tage später in Krakau anberaumte Konferenz der SS- und Polizeiführer einen Gesamtbericht „mit Bildanhang“ vorzulegen, womit das Dokument erstmals offiziell angekündigt war.30
Unter unverkennbarem Zeitdruck sind dann wahrscheinlich insgesamt vier Exemplare des Berichts angefertigt worden. Während Stroop seinen Abschlussbericht selbst formulierte und sich dafür vor allem bei seinen eigenen Tagesberichten als Informationsquelle bediente, wurden von diesen gleichzeitig zusätzliche Abschriften angefertigt und dem Gesamtbericht beigefügt. Zudem wurden die von mehreren Fotografen in der Dienststelle des SS- und Polizeiführers eingegangenen Aufnahmen gesichtet, geeignet erscheinende Motive ausgewählt und eilig weitere Abzüge zahlreicher Fotos angefertigt.31
Auf die Bedeutung des Einsatzes verweist schon die Form, in der Stroop seinen Abschlussbericht vorlegte. Trotz der knappen Zeit wies der SS- und Polizeiführer seine Untergebenen an, die verschiedenen Berichtsteile grafisch zu gestalten. In mit Tusche ausgeführter, kunstvoller Frakturschrift wurden Deckblätter angefertigt. Das erste trägt den erwähnten performativen Titel des Gesamtberichts, weitere gliedern gesondert die Tagesmeldungen sowie den Bildteil und geben dem Dokument damit eine einheitliche Form. Zusätzlich wurden im abschließenden Bildteil die meisten Fotos handschriftlich kommentiert. Abschließend ließ Stroop noch das für Himmler sowie höchstwahrscheinlich auch das für Krüger und ihn selbst bestimmte Exemplar in Leder binden, um damit ein auch optisch repräsentables Zeugnis seines Handelns abzuliefern. Der 126 Seiten umfassende Abschlussbericht geht damit sowohl in der Gestaltung als auch im Umfang deutlich über vergleichbare Dokumente hinaus, was einerseits belegt, wie sehr Stroop seine Vorgesetzten von sich einnehmen wollte. Andererseits legt die Berichtsform auch nahe, dass dem SS-Führer die historische Bedeutung seiner Einsatzwochen in Warschau bewusst war.
Beide für die Vorgesetzten gedachten Exemplare wird Stroop selbst am 18. Mai in Krakau an Krüger übergeben haben, woraufhin dieser eins am 2. Juni per Kurier an Himmler weiterleitete.32 Neben der dritten gebundenen Ausgabe für ihn selbst war ein weiteres, ungebundenes Exemplar angefertigt worden, das Stroop vermutlich während der Tagung der SS- und Polizeiführer des Generalgouvernements als Arbeitsversion für seinen persönlich vorgetragenen Rechenschaftsbericht genutzt haben wird. Dieses vierte Exemplar brachte er anschließend wieder in seine Warschauer Dienststelle zurück, wo sie Tage später nochmals an mehreren Stellen verändert und ergänzt wurde, weil Krüger zusätzliche Angaben angefordert hatte. Während die gebundenen Berichte von Krüger und Stroop vermutlich in der Kriegsendphase beseitigt wurden, hat sich neben der Warschauer Arbeitsversion auch das Himmler überbrachte Exemplar erhalten. Beide wurden vom Internationalen Militärtribunal in Nürnberg als Beweismittel gegen die angeklagte Nazi-Elite verwendet. Anschließend ging Himmlers Exemplar an Polen, wo es heute im Warschauer Institut für Nationales Gedenken (IPN) verwahrt wird. Die Arbeitsversion wurde dem Nationalarchiv der Vereinigten Staaten (NARA) zur Aufbewahrung und weiteren Nutzung überantwortet.33
Gliederung und Inhalte
Den beiden erhaltenen Versionen des Stroop-Berichts gemeinsam ist ihre grundsätzliche Gliederung: Sie enthalten einen Abschlussbericht, der neben einer Verlustliste auch eine Übersicht über die verwendeten Einsatzkräfte enthält, dann folgen die während der Aufstandsbekämpfung übermittelten Tagesmeldungen und abschließend ein Bildteil mit jeweils 53 Fotos. Neben weitgehenden Übereinstimmungen unterscheiden sich beide überlieferten Ausgaben aber auch in interessanten Details, die ergänzende Hinweise zur Versionsgeschichte und dem weiteren Umgang mit den Quellen ermöglichen. Insbesondere ist Stroops ungebundene Fassung frühestens am 23. Mai mit einem abschließenden Teil IV ergänzt worden. Darin beziffert Stroop die Gesamtzahl der im Ghetto festgenommenen Menschen mit 56.056, von denen angeblich 7.000 vor Ort ermordet und 6.929 ins Vernichtungslager Treblinka deportiert wurden. Die restlichen Jüdinnen und Juden kamen, ohne dass dies extra erwähnt wurde, zur Zwangsarbeit in den Distrikt Lublin. Weitere 5. bis 6.000 seien bei den Bränden und Sprengungen umgekommen, zudem seien 631 Verstecke „vernichtet“ worden.34
Abgesehen davon wurde die Auflistung der Einsatzkräfte zu Beginn um zusätzliches Personal der Warschauer Sicherheitspolizei ergänzt und zu einem aktualisierten Gesamtergebnis von 36 Offizieren und 2.054 eingesetzten Männern addiert. Außerdem ist der Berichtsversion eine letzte, vom 24. Mai datierende Tagesmeldung hinzugefügt worden, in der die gleichen, von Krüger drei Tage vorher angeforderten Gesamtzahlen zum Einsatz aufgelistet wurden, die Stroop zudem bereits im Teil IV seines Abschlussberichts präsentiert hatte. Genau jene letzte Tagesmeldung ist der gebundenen Berichtsversion erst nach dem Krieg als Kopie beigefügt worden.35
Abgesehen davon unterscheiden sich die Abschluss- und Tagesberichte beider Versionen nur in unwesentlichen Details, die hauptsächlich auf Übertragungsfehler zurückzuführen sein dürften. Dagegen weisen die „Bildberichte“ wesentlich größere Unterschiede auf: In der gebundenen Version sind es 53 Fotos auf 49 Seiten, in der ungebundenen ursprünglich 50 auf 47 Seiten. Erst nach dem Krieg wurden die drei, offenbar als essentiell erachteten fehlenden Bilder aus dem gebundenen Bericht auch in der „Arbeitsversion“ ergänzt, das legen sowohl die Ausführung der Abzüge selbst als auch die abweichende Paginierung der nachträglich hinzugefügten Blätter nahe.36 Beide Berichtsversionen enthalten 37 weitgehend identische Motive, und 16 Abzüge sind nur jeweils einmal enthalten, womit die Exemplare 69 unterschiedliche Fotos aufweisen. Die „Bildberichte“ stimmen dabei nur auf den ersten sechs Seiten vollständig überein, im Folgenden weichen sie hinsichtlich der Bildauswahl und deren Kommentierung voneinander ab. Bei Himmlers gebundener Version haben 38 der 53 Fotos Bildunterschriften, das in Stroops Dienststelle verbliebene Exemplar eine mehr.
Der im gesamten Dokument anklingende Sprachstil mit seinen häufigen Euphemismen und Tarnbegriffen ist typisch für die mit der Verwirklichung der Shoah befassten Täter. Aus heutiger Sicht verschleiert das manche Tatumstände und lässt die Warschauer Massenverbrechen fast unkenntlich erscheinen. Auf Befragen westdeutscher Ermittlungsbeamter versuchte Max Jesuiter, der einstige Stabschef Stroops, Jahre später etwas Licht ins Dunkel der Lingua Tertii Imperii des Gesamtdokuments zu bringen, was immerhin den Nachweis erbrachte, dass manche einschlägigen Tarnbegriffe inkonsequent genutzt wurden.37 Generell bleibt jedoch zu berücksichtigen, dass Stroop sein Schlüsseldokument für einen zeitgenössischen, äußerst elitären und eng begrenzten Leserkreis verfasst hatte, dem die semantischen Besonderheiten des mit dem Menschheitsverbrechen einhergehenden Schriftverkehrs vollkommen geläufig war. Diese Adressaten werden keinerlei Schwierigkeiten gehabt haben, die Inhalte richtig zu deuten.
Himmler hatte die Verwendung spezieller Begriffe sogar selbst eingefordert. So wird die Ghettobevölkerung im Stroop-Bericht häufig pauschal mit dem Terminus „Banditen“ bezeichnet. Damit übernahm Stroop die gängige Sprachregelung, die Himmler selbst im Vorjahr angesichts einer sich in der deutsch besetzten Sowjetunion ausbreitenden Partisanenbewegung eingeführt hatte, als er am 13. August 1942 befahl, den verherrlichenden Begriff „Partisan“ nicht mehr zu gebrauchen: „Für uns handelt es sich hier nicht um Kämpfer und Soldaten, sondern um Banditen, Franktireurs und kriminelle Verbrecher.“38 Durch die Übernahme dieses Begriffs vollzog Stroop aber immerhin eine bemerkenswerte, faktische Anerkennung des jüdischen Widerstands, indem er die ursprünglich an ganz anderer Stelle eingeführte Wortwahl nunmehr auf die Menschen im Ghetto übertrug.
Der aus heutiger Sicht nur schwer erträgliche Nazijargon könnte dazu verleiten, Stroops Bericht als einen schändlichen Versuch zu deuten, Massenmord als heroischen Kampf auszugeben. Dabei bliebe jedoch die ideologische Relevanz des nationalsozialistischen „Erlösungsantisemitismus“ mit der daraus resultierenden, konsequenten Entmenschlichung der Jüdinnen und Juden unberücksichtigt, die in letzter Konsequenz unter Verwendung genau solcher Sprache in der Shoah gipfelte. Wie Stroop wähnten sich zahllose Nazitäter in einem Krieg gegen das Judentum, weil eine existenzielle Bedrohung Deutschlands vermeintlich von jüdischer Seite ausging. Folgerichtig drückte Stroop seine Beteiligung an der Shoah im Bericht in der Logik genau dieses konstruierten Existenzkampfes aus, wofür Männer wie er auch regelmäßig militärische Orden kassierten. Es gilt also ernst zu nehmen, dass mörderischer Judenhass nicht nur als zentrales Element der Naziideologie und gebetsmühlenartig wiederholte Propaganda fungierte, sondern das Denken und Handeln vieler Deutscher bestimmte. Der Bericht ist somit sprachlich keineswegs außergewöhnlich, sondern im Gegenteil zwingende Begleiterscheinung nationalsozialistischer Vernichtungspolitik, und er unterscheidet sich darin nicht von anderen überlieferten Dokumenten.39
Abschlussbericht und Verlustliste
Gleich an den Anfang seines Gesamtberichts platzierte Stroop den zwölfseitigen Abschlussbericht, dem er eine Verlustliste mit Getöteten und Verwundeten sowie die Auflistung der verwendeten Einheiten voranstellte. So konnte seine nachträglich geschönte Schilderung der Ereignisse die Gesamtdarstellung dominieren. Faktisch stellt der Abschlussbericht eine aufwendiger eingeleitete, gekürzte sowie deutlich geglättete Version seiner eigenen Tagesberichte dar. Für die pseudohistorisch angelegte und eigentlich überflüssig erscheinende Einleitung griff Stroop auf den bereits im Januar 1941 verfassten Bericht des Leiters des Umsiedlungsstabs im Distrikt Warschau, Waldemar Schön, zurück. Passagen daraus wurden einfach weitgehend übernommen.40 Abgesehen davon ließ Stroop viele der in den ursprünglichen Tagesmeldungen anklingenden Probleme unerwähnt und betonte stattdessen seine Erfolge umso stärker. Zwar liegen eindeutige Belege für dessen unmittelbare Autorenschaft nicht vor, jedoch sprechen sowohl Syntax und Stil als auch seine vorherige Verantwortung für die Formulierung der Tagesberichte dafür, dass Stroop auch den Abschlussbericht selbst verfasst oder diktiert hat.
Besondere Aufmerksamkeit widmete der SS-Führer dabei vor allem der Problematik, wie er sowohl den massiven jüdischen Widerstand als auch den wider Erwarten langwierigen Einsatz gegenüber den Vorgesetzten überhaupt darstellen sollte. Allein beim Vergleich mit den Tagesmeldungen ergeben sich diesbezüglich vielsagende Widersprüche. So behauptete Stroop in seinem Abschlussbericht, ihm sei es spätestens am 21. April und damit am dritten Tag gelungen, den Widerstand im Restghetto so weitgehend zu brechen, dass von einem „größeren und erheblichen Widerstand innerhalb dieser Gebäudekomplexe nicht mehr gesprochen werden konnte“. Bereits am 20. April sei mit den beiden Flaggen auch das weithin sichtbare Symbol des Aufstands „erbeutet“ worden. Ein Blick in die Tagesmeldungen zeigt jedoch, dass die von Stroop erwähnten Kämpfe am Muranowski-Platz, in deren Verlauf auch SS-Untersturmführer Dehmke getötet wurde, erst am 22. April und damit am vierten Tag des jüdischen Aufstands stattfanden. Weitere intensive Kämpfe meldete Stroop in seinen Tagesberichten auch noch am 27. und 28. April. Somit wird er solche Umdatierungen in seinem Abschlussbericht bewusst vorgenommen haben, um dem wenig schmeichelhaften Eindruck entgegenzuwirken, dass er auch Tage nach seiner Kommandoübernahme kaum wirkliche Kontrolle über das Ghetto vorweisen konnte.
Eine Schlüsselinformation enthält der zusammenfassende Abschlussbericht mit der eigens unterstrichenen Erwähnung der am 23. April ergangenen Anweisung Himmlers, den weiteren Einsatz „mit größerer Härte und unnachsichtlicher [sic] Zähigkeit zu vollziehen“. Die nur an dieser Stelle, nicht aber in den Tagesmeldungen überlieferte Intervention musste Stroop als Kritik an seiner bisherigen Strategie auffassen, was prompt grausame Konsequenzen nach sich ziehen sollte. Seitdem ging der SS- und Polizeiführer nämlich dazu über, das Ghetto systematisch niederzubrennen. In dem Zusammenhang ist die Erwähnung der Himmler-Anweisung einerseits ein anschauliches Beispiel für die direkte Kommunikation, die selbst der Reichsführer-SS mit Stroop pflegte. Andererseits ist damit auch der Erfolgsdruck angedeutet, unter dem Stroop in Warschau vor dem Hintergrund des völlig unterschätzten jüdischen Widerstands stand.41
Die vor den Abschlussbericht platzierte Verlustliste führt die auf deutscher Seite gezählten 16 Toten und 85 Verletzten namentlich auf. Angesichts der Dauer und Intensität des Aufstands sowie in Kenntnis jüdischer Quellen, die weit höhere deutsche Opferzahlen nahelegen, fallen Stroops Angaben ausgesprochen niedrig aus. Die Zahlen sind daher auch in der historischen Forschung wiederholt als zu niedrig angesetzt und entsprechend manipuliert gewertet worden.42 Und tatsächlich lassen sich Widersprüche zwischen den täglich gemeldeten Verlusten und der späteren Gesamtliste nachweisen, jedoch können diese die grundsätzliche Diskrepanz zwischen den Annahmen auf jüdischer Seite und dieser Aufstellung der deutschen Verluste nicht auflösen. In Warschauer Haft schwieg sich Stroop zu der Frage aus, dabei hätte er gerade für den ersten Tag der Niederschlagung, den zunächst noch sein Vorgänger Sammern-Frankenegg verantwortete, ohne eigenen Prestigeverlust höhere deutsche Verluste angeben können, sofern sie zu verzeichnen gewesen wären. Selbst für diesen ersten Einsatz bezifferte Stroop jedoch nur geringe Verluste von jeweils sechs verletzten SS-Soldaten und Trawniki-Männern. Damit hatte es nach deutscher Darstellung am ersten Aufstandstag keinen einzigen Toten, dafür aber 24 Verletzte in den eigenen Reihen gegeben. Diese an einem einzigen Tag danach nie mehr erreichte Zahl lässt immerhin die Intensität der Kämpfe erahnen.43
Faktisch ist es unwahrscheinlich, dass Stroop die eigenen Verluste massiv nach unten korrigierte. Allein das Risiko, dass solche Manipulationen entdeckt würden, musste zu hoch erscheinen, da auch die im Ghetto eingesetzten Einheiten ihrerseits die eigenen Verluste an vorgesetzte Dienststellen meldeten, womit ein Betrug Stroops bald hätte ruchbar werden können. Abgesehen davon ergaben sich auch im Rahmen der juristischen Nachkriegsermittlungen zu den deutschen Verbrechen im Warschauer Ghetto keinerlei Hinweise, dass die dortigen deutschen Verluste wesentlich höher ausgefallen wären als von Stroop gemeldet.
Bei allem Respekt für die Wahrnehmung jüdischer Kämpferinnen und Kämpfer sollten in dem Zusammenhang die grundlegenden Ausgangsbedingungen während des Ghettoaufstands berücksichtigt werden: Den kaum mehr als 600 bewaffneten Jüdinnen und Juden stand eine mehr als dreimal so große, professionell ausgebildete und vor allem ungleich besser bewaffnete deutsche Übermacht gegenüber, die anfangs trotzdem zurückgeschlagen und über Wochen immer wieder erfolgreich attackiert werden konnte. Doch das extrem ungleiche Kräfteverhältnis konnte nur dazu führen, dass SS und Polizei verhältnismäßig geringe Verluste erlitten und sich letztlich militärisch auch durchsetzen konnten. Darüber hatte sich auf jüdischer Seite auch niemand Illusionen gemacht. Dass in Kampfsituationen eigens trainierte Deutsche bei Beschuss instinktiv in Deckung gingen und sich erst wieder erhoben, wenn sich die jüdischen Kämpferinnen und Kämpfer zurückgezogen hatten, dürfte ein sich wiederholendes Szenario gewesen sein, was manche Fehlbewertungen deutscher Verluste plausibilisieren mag. Generell würde es aber wohl vollkommen in die Irre führen, nicht die Dimension und Dauer des Ghettoaufstands, sondern deutsche Verlustzahlen zum Gradmesser eines historischen Urteils zu machen.
Ergänzend zur Verlustliste führte Stroop in einer weiteren Übersicht die unter seinem Kommando verwendeten Kräfte auf. An erster Stelle erscheinen dort mit dem numerisch größten Anteil zwei in Warschau stationierte Ersatzbataillone der Waffen-SS mit zusammen mehr als 800 SS-Soldaten. Ebenfalls eingesetzt waren mehrere hundert Ordnungspolizisten, Angehörige von Sicherheitspolizei und SD, eine Einheit der berüchtigten Trawniki-Männer sowie polnische Polizei und Feuerwehr. Insgesamt summiert sich Stroops Aufstellung auf ein Personaltableau von mehr als 2.000 zumindest zeitweise im Ghetto marodierenden Männern. Bei der im Vergleich zur Stärke der jüdischen Kamporganisationen ersichtlichen, mehr als dreifachen Übermacht ist die ungleich schwerere Bewaffnung inklusive Panzer und Artillerie mit faktisch unbegrenzten Munitionsreserven noch nicht einmal berücksichtigt.44
Die Tagesberichte
Einen zweiten, mit 54 Seiten auch vom Umfang her eindeutigen Schwerpunkt des Stroop-Berichts bilden die ab dem 20. April 1943 per Fernschreiben an den vorgesetzten Höheren SS- und Polizeiführer Friedrich-Wilhelm Krüger übermittelten 31 Tagesberichte. Sie stellen eine kontinuierliche, zeitnah entstandene und eindeutig datierte Berichtsform dar, die im Unterschied zum später entstandenen Abschlussbericht und den beigefügten Fotos deutlich beschränktere Möglichkeiten zur nachträglichen Manipulation bot. Nachkriegsaussagen illustrieren, wie die in der Regel einmal täglich abends übermittelten Tagesmeldungen entstanden sind – am 20. April waren es auch einmal zwei, am 22. April sogar drei Einzelberichte. Stroop nahm demnach tagsüber vor Ort die von unterstellten Einheiten eingehenden Meldungen selbst entgegen und notierte Berichtenswertes zusätzlich in sein Notizbuch. Später diktierte er in der außerhalb des Ghettos gelegenen Dienststelle seinem Stabschef Max Jesuiter eine Zusammenfassung der Tagesereignisse. Der wiederum gab anschließend der meist als Schreibkraft zur Verfügung stehenden Hildegard Gräßler anhand seiner stenographierten Aufzeichnungen eine Reinform des Tagesberichts vor, die danach per Fernschreiben aus Warschau an Krüger in Krakau übermittelt wurde.45
Facettenreich vermitteln die Fernschreibprotokolle das grundsätzliche Spannungsverhältnis zwischen dem unverkennbaren Anspruch Stroops, sich im neuen Einsatz gegenüber den Vorgesetzten zu bewähren, und der auch für ihn überraschenden Intensität des jüdischen Aufstands. Ungewollt offenbart das Gesamtkonvolut der Tagesberichte, wie wenig die SS in Wirklichkeit auf die Dimension des jüdischen Widerstands vorbereitet war. Eine angesichts dessen vorübergehend als aussichtsreich angenommene Strategie musste Stroop teilweise schon am nächsten Tag wieder aufgeben, um eine neue, radikalere Variante folgen zu lassen, die dann ihrerseits nur wenige Tage Bestand haben sollte. Zwar gab auch der Warschauer Kommandeur von Sicherheitspolizei und SD, Ludwig Hahn, im Rahmen einer Nachkriegsaussage an, es sei „mit schwerem Widerstand der Juden aus den Erfahrungen, die man bei der versuchten Ghettoliquidierung im Januar gemacht hatte“, gerechnet worden.46 Das tatsächliche Ausmaß traf die Deutschen jedoch unvorbereitet, was Stroop selbst in Warschauer Haft bestätigte. „Wir haben die Juden völlig unterschätzt“, gab er zu, um dann fortzufahren:
„Sie haben uns am neunzehnten April um sechs Uhr morgens überrascht und nicht umgekehrt. Das wiederholte sich danach jeden Tag aufs Neue. Unsere Aufklärung hat uns weder eine richtige Einschätzung der Ausgangsposition ermöglicht noch entsprechende Hinweise für die tägliche Kampfpraxis vermittelt.“47
Stroops spätem Offenbarungseid entsprechend, vermitteln seine Tagesberichte bei näherer Betrachtung unabsichtlich, wie effizient der jüdische Widerstand trotz bescheidener Mittel faktisch gewesen ist und vor welch große Probleme die SS dadurch gestellt war. Am Ende des ersten von eigentlich nur drei für die Gesamträumung des Ghettos veranschlagten Tagen konnte Stroop gerade einmal 580 „erfasste“ Juden melden, am Folgetag waren es wieder nur 533 Menschen. Das desaströse Ergebnis unterstreicht vielsagend die Geschlossenheit des jüdischen Widerstands, was Stroop in seiner Darstellung an die Vorgesetzten letztlich nur einräumen konnte.48 An den weiteren Tagesmeldungen ist dann gut ablesbar, wie er den Einsatz seiner SS- und Polizeieinheiten unter zeitweiliger Unterstützung von Wehrmachtsartillerie und anderer Spezialisten eskalieren ließ.
Allerdings lässt erst die Einbeziehung von Zeugnissen aus dem ganzen Spektrum des jüdischen Widerstands erahnen, was den Ghettoaufstand auszeichnete und was Stroops Einsatz wirklich bedeutet hat. Der als Bestatter tätige Benjamin Gruszka erlebte den Beginn des Aufstands, und er erinnerte sich 1961, wie jenes Ereignis für manche wie ihn auch das Signal zur Flucht darstellte:
„Als der Panzer brannte, sind wir mit dem Wagen voll Leichen aus dem Ghetto herausgefahren und nicht wieder zurückgekehrt. Ich habe mich dann zusammen mit anderen Juden polnischen Partisanen angeschlossen. Wir haben im Gebiet zwischen Warschau und Lublin operiert, bis die Russen kamen. Sodann bin ich mit mehreren Juden hinter der Front hergezogen, um in den verschiedensten Konzentrationslagern nach Angehörigen zu suchen.“49
Während Stroop am zweiten Aufstandstag von intensiven Kämpfen berichtete, erinnerte sich Sam Henry Hoffenberg an die Wirkung der jüdischen Angriffe auf die Deutschen: „Wir konnten bei solchen Beobachtungen sehen, wie die SS-Leute, die früher immer sehr sicher und selbstbewusst sich im Ghetto bewegt hatten, nunmehr verängstigt und verschüchtert sich an die Wände drückten, weil sie um ihr Leben bangten“.50
Am 22. April musste Stroop in seinem Tagesbericht den Verlust von SS-Untersturmführer Dehmke von der SS-Kavallerie-Ersatzabteilung melden, der bei Kämpfen mit dem ZZW am Muranowski-Platz durch einen Schuss in die eigene Handgranate getötet wurde. Schockiert vom Tod des ihm persönlich bekannten SS-Offiziers nahm Stroop grausame Rache, die er im selben Tagesbericht andeutete. Sogar die ungebrochene Haltung seiner Opfer ließ er nicht unerwähnt, als er meldete: „Bei heute notwendigen Erschießungen ist es wiederholt vorgekommen, dass die Banditen mit dem Ruf ‚Hoch lebe Polen‘, ‚Es lebe Moskau‘ zusammenbrachen.“51 Zu der Zeit wurde auch der ZOB-Kämpfer Israel Gutman verletzt:
„Bei der Aktion im April 1943 nahm ich an den Kämpfen teil und wurde am dritten oder vierten Aufstandstage verwundet. Ich war dann im Schutzraum und durchlebte eine Reihe schrecklicher Tage. Am 5. Mai 1943 entdeckten die Deutschen den Schutzraum, in dem ich mich befand. Nachdem der Schutzraum entdeckt war, warfen die Deutschen Gasbomben in den Raum (ich spürte das Gas). Ich war halb ohnmächtig und als ich wieder das Bewusstsein erlangte, war ich in den Händen der Deutschen.“
Gutman überlebte anschließend die Konzentrationslager Majdanek, Auschwitz und Mauthausen, emigrierte nach Israel und verfasste Jahrzehnte später eines der bedeutenden Standardwerke zum jüdischen Widerstand im Warschauer Ghetto.52
Angaben von dort eingesetzten SS-Männern liefern Hinweise auf manche Lücken in Stroops Berichtswesen. Ein Soldat des täglich eingesetzten Warschauer SS-Panzergrenadier-Ausbildungs- und Ersatzbataillons 3 gab beispielsweise 1962 bei seiner Vernehmung an, auf seinem Schützenpanzer noch Tage nach Aufstandsbeginn angegriffen worden zu sein. Dabei sei das gepanzerte Fahrzeug von jüdischer Seite in Brand geschossen worden, wobei sogar die SS-Uniformen der Insassen Feuer fingen. Letztlich sei es aber gelungen, den Brand zu löschen. Um den fortdauernden bewaffneten Widerstand und damit auch das eigene Unvermögen, das Ghetto wieder unter Kontrolle zu bekommen, nicht allzu deutlich zu dokumentieren, verzichtete Stroop nach dem ersten Aufstandstag wohlweislich auf eine Schilderung solcher konkreten Vorfälle.53
Wie versteckte Jüdinnen und Juden ihren Widerstand den sich laufend verändernden deutschen Strategien anpassten, berichtete wiederum Maurice Markus zwanzig Jahre später:
„Wir stellten fest, dass SS-Leute bei der Durchsuchung der Häuser bei jedem Fenster eines Raumes, den sie durchsucht hatten, mit Kreide ein Kreuz an das Fensterglas machten, damit man von unten her sehen konnte, welche Räume durchsucht waren. Als wir dies sahen, machten wir an die Fenster unserer Räume gleichfalls mit Kreide weiße Kreuze.“54
Und was die in den hunderten von „Bunkern“ ausharrenden Menschen unter dem Eindruck von Stroops Vorgehens empfanden, vermitteln Aufzeichnungen wie die einer Jüdin mit dem Vornamen Maryla, die am 27. April in ihrem Versteck notiert hatte:
„Wir sind in die Wahrnehmung dieser immer stärker werdenden Kampfgeräusche vertieft, und die Angst beginnt, uns zu lähmen. Wir hören auf, Menschen zu sein, werden zu zitternden Nervenbündeln, fast so weit, den Verstand zu verlieren. Wir vergraben uns in der Stille, und jedes kleinste Rascheln von drinnen, ein Flüstern oder Husten, erscheint uns wie ein Orkan, der den Feind jederzeit direkt zu uns führen kann.“55
Solche häufig genau datierten Zeugnisse und Erinnerungen können Stroops tägliche Berichterstattung konterkarieren und aus der Gegenperspektive ganz entscheidend ergänzen. Auf diese Weise lassen sich die Wochen des jüdischen Widerstands und der deutschen Bekämpfungsmaßnahmen im Warschauer Ghetto systematischer, dichter und vielschichtiger nachzeichnen, als das bisher versucht wurde.
Der „Bildbericht“
Am Ende soll Stroops Zusammenstellung von undatierten und bis auf einzelne Ausnahmen nicht lokalisierten Fotos suggerieren, hier würde ein der wochenlangen Dauer entsprechender, repräsentativer Einblick zum Einsatz im Ghetto gegeben. Doch der – sicherlich beabsichtigte – Eindruck, die Fotos würden auch chronologisch den tatsächlichen Ereignissen entsprechen, ist falsch. In Wirklichkeit sind sämtliche Fotos an einzelnen Tagen und an nur wenigen Orten entstanden. Manche der Aufnahmen, die unter anderem Stroop selbst im Bereich des Ghettos zeigen, oder Fotos, auf denen Juden in damaliger nationalsozialistischer Projektion geradezu klischeehaft antisemitisch abgebildet scheinen, wirken inszeniert. Tatsächlich weisen aber Nachkriegsaussagen der Fotografen darauf hin, dass auch diese Fotos als Schnappschüsse entstanden sind. Dabei waren sich die jüdischen Opfer genauso wie die deutschen Täter zwar der Präsenz eines Fotoapparats bewusst, auch Stroop selbst mag sich angesichts dessen womöglich besonders positioniert haben, dennoch sind die Fotos keineswegs Inszenierungen, sondern zeigen vielmehr momenthafte und sehr selektive Einblicke in das Geschehen während der Aufstandsbekämpfung und Ghettoräumung im Frühjahr 1943.56
Franz Wild, der Fotograf der Dienststelle des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD, lässt sich mit Sicherheit als derjenige identifizieren, der die meisten Stroop-Fotos aufgenommen hat. Bei seiner Vernehmung räumte er ein, „dass von dem Bildmaterial eine ganze Menge von mir stammt“. Ausdrücklich bestritt der Fotograf nur, für die im Inneren eines „Bunkers“ entstandene Serie verantwortlich zu sein. Ergänzend gab er an, sich zum Fotografieren während des Aufstands mehrmals im Ghettobereich aufgehalten, anschließend die Fotos auch selbst entwickelt und diese schließlich auftragsgemäß seinen Vorgesetzten ausgehändigt zu haben. Auf dem Weg über die Dienststellenleitung müssen die Abzüge dann zu Stroop gelangt sein. Zwei von Wild ausdrücklich als eigene Aufnahmen wiedererkannte Fotos haben ein übereinstimmendes Format von 13 x 18 cm. Dieses Format mit identischem weißem Rand findet sich bei 38 weiteren Fotos wieder, die zudem auch bei Kontrast, Körnung und Präferenzen bei der Motivwahl starke Übereinstimmungen aufweisen. Damit scheint Wild für 40 der insgesamt 53 Stroop-Fotos der gebundenen Version verantwortlich gewesen zu sein, zu denen auch die bekanntesten und am häufigsten publizierten Abbildungen gehören.57
Auch Franz Konrad, der berüchtigte Leiter der „Werterfassung“ im Ghetto, räumte während seines Prozesses in Warschau ein, einige der Stroop-Fotos aufgenommen zu haben. Von einer Überlebenden wohl treffend als „Hyäne, die den Mördern folgte und Beute sammelte“ charakterisiert, stand der korrupte Konrad als Stroops Mitangeklagter 1951 in Warschau vor Gericht. Dort wurde ihm konkret vorgeworfen, Opfer in brennenden Häusern fotografiert zu haben. Wohl nicht zufällig sind das die Gebäude der Niska-Straße 23 und 25, die genau gegenüber von Konrads Dienststelle der Warschauer „Werterfassung“ lagen. Abgesehen davon gab er zu, sich häufiger am nahegelegenen Umschlagplatz aufgehalten zu haben.58 Beides lässt darauf schließen, dass Konrad während des Aufstands mehrere Aufnahmen der brennenden Niska-Straße mit dort in den Tod springenden Menschen und am Umschlagplatz außerdem Stroop mit einigen unterstellten Trawniki fotografiert hat. Die im deutlich kleineren Format von 9 x 12 cm sowie im schwächerem Kontrast übereinstimmenden Abbildungen sind Teil einer zweiten, wesentlich kleineren Bildserie, von der sich jeweils fünf Fotos in beiden Versionen des Stroop-Berichts wiederfinden.59 Damit bleibt lediglich ungeklärt, wer die fünf Fotos aus dem Inneren eines unterirdischen Verstecks sowie drei weitere, auf dunklerem Fotopapier und in abweichendem Format abgezogene, ebenfalls im Randbereich des Ghettos entstandene Fotos aufgenommen hat.60
Nach einer Sichtung der vorhandenen Abzüge dürfte schließlich Stroop selbst, womöglich im Beisein weiterer Angehöriger seines Stabs, geeignet erscheinende Fotos ausgewählt haben. Dabei fiel die Wahl nur vereinzelt auf Abzüge, die Leichen als sichtbare Belege für den im Ghetto organisierten Massenmord zeigen, obwohl solche Fotos vorlagen. Den Vorzug erhielten stattdessen Abbildungen, auf denen Stroop selbst im Kreis seiner Männer, festgenommene Menschengruppen im Ghetto sowie die Brände und Zerstörungen sichtbar waren.61 Die ausgewählten Fotos ließ der SS-Führer nach seiner persönlichen Vorstellung platzieren, womit die ursprünglich noch bestandene chronologische Ordnung durch die gewollt suggestive Wirkung seines „Bildberichts“ ersetzt wurde. Sichtbar werden dabei drei fiktionale Kapitel des Fototeils, die jeweils sinnleitenden Oberbegriffen zu gehorchen scheinen. Mit heutiger Diktion könnte der erste Teil den Titel „Jüdinnen und Juden im Ghetto und deren Deportation“, ein zweiter „Jüdischer Widerstand und seine Bekämpfung“ und der dritte schließlich „Erfolgreiche Führung, Abschluss und Ergebnis“ tragen.
Symbolträchtig ließ Stroop seinen "Bildbericht" mit dem Foto der rauchgeschwärzten Ruine des "Judenrats"-Gebäudes beginnen, womit der erfolgreiche Abschluss des Einsatzes wie beim Gesamttitel gewissermaßen vorweggenommen wird. Nur Eingeweihte konnten wissen, dass das Gebäude, früher eine polnische Artilleriekaserne, erst gegen Ende der Ghettovernichtung Mitte Mai in Brand gesteckt wurde. Ein überschaubarer Kreis von Tätern sowie einzelne jüdische Überlebende waren zudem in der Lage, mit diesem ersten Foto des Stroop-Berichts auch ein denkwürdiges Symbol für die deutschen Massenverbrechen zu assoziieren: In dem Gebäude organisierte die SS ab dem 22. April Erschießungen, denen im Verlauf von Wochen insgesamt mehrere tausend Menschen zum Opfer gefallen sein müssen. Gleich das erste Foto wirkt damit wie ein visueller Code für den auf Stroops Anweisungen im Ghetto verübten Massenmord.62
Abgesehen von der Ruine des "Judenrats"-Gebäudes sind nur einzelne Abbildungen eindeutig lokalisierbar. So ist auf dem Foto eines niedergebrannten Eckhauses noch das Straßenschild „Ulica Gesia“ erkennbar. Dieses an der Kreuzung zur Nalewki-Straße gelegene, auch auf weiteren Fotos erkennbare Gebäude lag unmittelbar an einem der südlichen Ghettotore und der angrenzenden Mauer des Zentralghettos. Das Foto, zusammen mit der fiktiven Bildunterschrift "Zur Flucht und zum Absprung vorbereitet gewesener Platz", suggeriert, dass das Gebäude irgendwann im Zuge der systematischen deutschen Brandstiftungen schwer beschädigt wurde.63 Dagegen verrät der am ersten Aufstandstag verfasste Kampfbericht der ZOB, dass genau dieser Ort Schauplatz erbitterter Kämpfe während des zweiten, nunmehr von Stroop geführten deutschen Vorstoßes ins Ghetto gewesen war.
"Gegen 7 Uhr wurde in demselben Abschnitt eine SS-Kolonne auf die gleiche Weise zerschlagen. Um den Rückzug zu sichern, zündeten wir mit einigen Flaschen das Haus an der Ecke Geşia-Straße 2/4 und Nalewki-Straße 37-31 an, das voll mit leicht brennbarem Material war: Im Erdgeschoss lagerten Ma[tratz]en und Schlafsof[as]",
berichtete die ZOB dazu. Und Marek Edelman betonte in seiner Aussage während des Warschauer Prozesses gegen Stroop 1951 ausdrücklich: "Wir haben dieses Haus angezündet, wir haben den ersten Brand im Ghetto hervorgerufen."64 Das Foto erhält damit eine ganz andere Bedeutung. Es ist eben kein Beleg für die systematische Niederbrennung des Restghettos durch Stroops SS, sondern zeugt vielmehr vom jüdischen Aufstand und dem taktischen Vorgehen der ZOB, sich nach erbitterten Kämpfen mit den zur Verfügung stehenden, begrenzten Mitteln trotzdem noch rechtzeitig vor der deutschen Übermacht zurückziehen zu können.
Zwei weitere Aufnahmen weisen durch ihre Bildunterschriften die "Rüstungsfirma Brauer" als Ort des Geschehens aus. Das Unternehmen, das sich über mehrere Häuser und Hinterhöfe der Nalewki 28-38 erstreckte, war mit der Aufbereitung von Wehrmachtsausrüstung beauftragt. Im Hintergrund beider Fotos sind zahlreiche auf dem Boden gestapelte deutsche Soldatenhelme sichtbar.65 Mit der Szenerie scheint Stroops Tagesbericht vom 24. April zu korrespondieren, in dem er beschreibt, wie das "Häuserlabyrinth" einer "sogenannten Rüstungsfirma" besetzt und schließlich komplett niedergebrannt wurde, da "diese Juden zum Teil Widerstand leisteten". Mit unverkennbarem Erstaunen beschrieb Stroop schließlich die unvermutete jüdische Reaktion auf die Brandstiftungen: "Immer wieder konnte man beobachten, dass trotz der großen Feuersnot Juden und Banditen es vorzogen, lieber wieder ins Feuer zurückzugehen, als in unsere Hände zu fallen. Immer wieder schossen die Juden bis fast zur Beendigung der Aktion."66
Wie die Räumung bei Brauer stattfand, beschrieb Majloch Gajstman in einer Nachkriegsaussage:
"Es kamen ukrainische SS-Leute und trieben uns auf die Straße. Alles, was nicht schnell genug herunterlaufen konnte, wurde zu den Fenstern hinausgeworfen. Auch habe ich selbst gesehen, wie sie mit Bajonetten kleine Kinder töteten, die von den Müttern in den Armen gehalten wurden. Andere Kinder nahmen sie der Mutter weg und warfen sie durch das Fenster aus dem 2. oder 3. Stock auf die Straße. Ich schätze, dass man auf dem Wege von dem Gebäude bis in die Waggons etwa 10 Prozent der dort untergebrachten Juden mutwillig getötet hat."67
Genau dort, bei Brauer, war am ersten Aufstandstag Emanuel Ringelblum, der Historiker und Leiter des Ghettoarchivs, von den Ereignissen überrascht worden. Zusammen mit vielen anderen jüdischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern wurde er schließlich aus der Nalewki-Straße zum Umschlagplatz getrieben und von dort ins Arbeitslager Trawniki deportiert, wo er später im Rahmen einer bemerkenswerten Aktion wieder befreit und in der Uniform eines polnischen Eisenbahners zurück nach Warschau in ein jenseits des Ghettos gelegenes Versteck gebracht werden konnte. Dort verfasste Ringelblum die letzten Texte vor seinem Tod im Frühjahr 1944.68
Abgesehen von den genannten Beispielen ist aus Stroops "Bildbericht" nicht unmittelbar ersichtlich, wo die einzelnen Fotos entstanden sind. Mittlerweile ist es allerdings gelungen, die meisten Abbildungen im Ghetto plausibel zu lokalisieren.69 Das wiederum ermöglicht die vielsagende Erkenntnis, dass die meisten Entstehungsorte an oder in unmittelbarer Nähe der Ghettotore und damit in den absoluten Randbereichen des Restghettos lagen, nämlich entweder an der nördlichen oder der südlichen Grenze des Zentralghettos sowie im westlichen Randbereich, wo sich die Produktionsstätten der Unternehmen Többens, Schultz und Schilling befanden. Offenbar hielten sich die Fotografen aus Angst vor den jüdischen Kämpferinnen und Kämpfern nur in diesen sicher erscheinenden Bereichen auf, was die Motivwahl ganz erheblich einschränkte. Unfreiwillig zeugen damit die Stroop-Bilder auch insgesamt von der Relevanz und Wirkung des jüdischen Widerstands.
Manche Fotos im Stroop-Bericht könnten den Eindruck einer eigens inszenierten, antisemitisch konstruierten Bildsprache vermitteln. Dazu gehören zwei wahrscheinlich in der Nowolipie-Straße entstandene Abzüge, die aus unterschiedlichem Blickwinkel dieselbe Menschengruppe abbilden und später im Stroop-Bericht mit dem Untertitel "Jüdische Rabbiner" versehen wurden.70 Anhand solcher Abbildungen vermittelt sich der Eindruck einer Täterperspektive, die Menschen im Ghetto genau so sehen wollte, wie das vorher von der nationalsozialistischen Ideologie und Propaganda suggeriert wurde. Auf diese Weise könnten antisemitische Zerrbilder reproduziert und damit der Gesamteinsatz ergänzend legitimiert worden sein.
Dagegen legen Nachkriegsaussagen aber nahe, dass keineswegs inszenierter Judenhass, sondern vielmehr eine eher zufällig in den Blick geratene mörderische Wirklichkeit den eigentlichen Entstehungskontext der Fotos bildete. Franz Konrad sagte dazu sowohl vor US-Soldaten als auch während seines Warschauer Prozesses aus, Stroop habe eigens den Befehl gegeben, Männer, die ein "ausgesprochen semitisches Aussehen" zeigten, grundsätzlich zu selektieren und gleich vor Ort zu erschießen. Während des deutschen Einsatzes sei das dann entsprechend häufig praktiziert worden. Die später auf dem Foto identifizierten fünf Männer, darunter die Rabbiner Heschel Rappaport und Lipa Kaplan sowie alle anderen abgebildeten Menschen wirken daher nicht wegen der auf sie gerichteten Kleinbildkamera, sondern wegen aller vor ihnen postierten SS-Männer eingeschüchtert und terrorisiert. Im Anschluss sind die Menschen von den Deutschen wahrscheinlich nur deshalb umgehend ermordet worden, weil ihr Äußeres antisemitischen Projektionen der Deutschen entsprach.71
Neben der Abbildung vermeintlich antisemitischer Stereotype enthält die Quelle aber auch Motive, die dazu einen starken Kontrast bilden. Sichtbar werden Männer, Frauen und einzelne Kinder, die mit der antisemitischen Vorstellungswelt des Nationalsozialismus nur schwer in Einklang zu bringen sind. Selbst im Angesicht ihres Todes stehen die Menschen den Uniformierten mit ihren schussbereiten Waffen stolz und scheinbar ungebrochen gegenüber. Manche Gesichter spiegeln auch unverhohlene Verachtung und Hass auf die Täter wider. Mit der Bildunterschrift "Diese Banditen verteidigten sich mit der Waffe" wird im vorliegenden Beispiel fast hilflos anmutend versucht, die Wirkung des Fotos zu verwischen. Ergänzt wird das Szenario von zahlreichen im Hintergrund erkennbaren SS-Männern, die damit beschäftigt sind, die zurückgelassene Habe bereits fortgetriebener Menschen zu begutachten und fallweise zu plündern. Dahinter ist mit Blickrichtung nach Osten schließlich die brennende Nowolipie-Straße zu sehen, in der sich die Produktionsstätten von Többens und Schultz befanden. Im Stroop-Bericht sind solche Abbildungen von unerschrockenen Jüdinnen und Juden keineswegs Ausnahmen. Und sie drücken folgerichtig genau das aus, was den Deutschen in jenen Wochen im Ghetto entgegenschlug: Massenhafter Widerstand von Menschen, die sich den Anweisungen der Deutschen offen widersetzten, sich versteckten oder eben kämpften. Die Frau rechts im Bild konnte sogar namentlich identifiziert werden: Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich um Hasia Szylgold-Szpiro. Zu hoffen bleibt, dass zukünftig noch weitere Erkenntnisse zu den auf den Fotos abgebildeten Jüdinnen und Juden zusammengetragen werden können.72
Die von den Kampfgruppen im Ghetto angewandte Guerillataktik sowie die offensichtliche Furcht der Fotografen vor eigener Gefährdung musste zu einem Mangel an Motiven führen, die in irgendeiner Form die bewaffnete jüdische Revolte abbildeten. Dennoch hat sich im Stroop-Bericht mindestens ein Foto erhalten, das genau diesen Kontext vermittelt. Untertitelt ist der Abzug mit der vermeintlichen Zusatzinformation "Mit Waffen gefangene Weiber der Haluzzenbewegung". Tatsächlich sind drei festgenommene Kämpferinnen der ZOB sichtbar. Bei der Frau rechts handelt es sich um Małka Zdrojewicz, die die Shoah überlebte und Jahre später in einem für die israelische Gedenkstätte Yad Vashem verfassten Erinnerungsbericht ihre beiden Mitkämpferinnen und sich selbst auf dem Stroop-Foto identifizierte. Als junge Zionistin hatte sich Zdrojewicz im Warschauer Ghetto der ZOB angeschlossen, beteiligte sich am Schmuggel von dringend benötigten Schusswaffen durch die Kanalisation und half auch bei der Produktion von Sprengkörpern. Im Aufstand kämpfte sie dann mit einer Pistole und schleuderte Brandflaschen auf die Deutschen. Nach etlichen Tagen, Stroops Berichterstattung lässt den 8. Mai vermuten, wurde Zdrojewicz schließlich zusammen mit ihren Mitkämpferinnen in einem Bunkerversteck, in dem auch Waffen gelagert waren, von der SS entdeckt, zur Aufgabe gezwungen und physisch misshandelt.73
Der Abzug vermittelt den Eindruck, als ob die Frauen, vom Fotografen abgewandt, ins Leere blicken würden. Małka Zdrojewicz erinnerte sich jedoch an diese Szene, in der sich vor ihr und den Gefährtinnen schon mehrere bewaffnete Deutsche positioniert hatten, die dann von den Kämpferinnen verächtlich gemustert wurden. Unmittelbar danach verlor Małka Zdrojewicz durch einen heftigen Schlag auf den Kopf vorübergehend ihr Bewusstsein, während die unsichtbaren Täter die in der Mitte abgebildete Bluma Wyszogrodzka erschossen. Mit Rachaela, der am linken Bildrand sichtbaren Schwester der Ermordeten, wurde Małka Zdrojewicz dann vom Warschauer Umschlagplatz ins Konzentrationslager Majdanek deportiert. Rachela Wyszogrodzka wurde später in Auschwitz ermordet.74
Mit dem Foto und der wiederholten Erwähnung von bewaffneten Kämpferinnen im Abschlussbericht und den Tagesmeldungen gab Stroop zu, dass sich auch Frauen gegen die Deutschen erhoben hatten, die in einem antisemitischen Weltbild eigentlich keine aktive Rolle hätten spielen dürfen. Die erwähnte Zugehörigkeit zur "Haluzzenbewegung" lässt wiederum erkennen, dass ihm, von bruchstückhaften Angaben über individuelle Organisationszugehörigkeiten abgesehen, faktisch keinerlei Informationen zur Widerstandsstruktur im Ghetto vorlagen. Stroop ist damit ein gutes Beispiel dafür, wie Antisemitismus und nationalsozialistische Arroganz verhinderten, den jüdischen Widerstand allgemein und besonders den bedeutenden Anteil von Frauen darin überhaupt in seiner realen Dimension wahrnehmen zu können.75
In manchen Fällen erzeugt die Kombination aus Abbildung und Bildunterschrift eine bemerkenswerte Wirkung. Besonders deutlich wird das bei dem Foto, das mehrere niedergeschossene Opfer auf einem Trümmerhaufen vermutlich in der Nalewki-Straße zeigt. Darunter heißt es "Im Kampf vernichtete Banditen." Neben mehreren Erwachsenen ist links mindestens ein, weiter rechts möglicherweise noch ein zweites Kind sichtbar. Neben den Leichen verstreut liegende Gepäckstücke lassen vermuten, dass die Familie auf dem Weg zum Umschlagplatz ermordet wurde.76 Durch ihr Verstecken im Ghetto mögen sich die Menschen der nationalsozialistischen Vernichtungsintention verweigert haben, aber erst im Nachhinein wurde ihnen durch die entsprechende Wortwahl Stroops und seiner Helfer das vermeintlich kriminelle Potential angedichtet. Bezeichnenderweise machte es für die Nationalsozialisten eben keinen Unterschied, ob die Opfer Erwachsene oder Kinder waren. In Bezug auf die deutsche Wortwahl und der damit einhergehenden Praxis hatte sich Marek Edelman im Juli 1951 während seiner Aussage im Warschauer Prozess gegen Stroop direkt an den Angeklagten gewandt und deutlich gemacht:
"Ich selbst verstehe unter dem Wort 'Bandit' einen Menschen, welcher mordet und raubt. Wir haben so etwas nicht getan, wir haben gekämpft, obwohl wir keine Panzer hatten. Wir haben keine Frauen gemordet, wir haben den Frauen nicht die Bäuche aufgeschlitzt, jenen Frauen, die vielleicht in einer Stunde gebären sollten. Und wer von uns beiden hier die Bezeichnung Bandit verdient – das weiß ich nicht, Herr General.“77
Der berüchtigte Umschlagplatz ist auf einem Foto des Stroop-Berichts gut erkennbar. Für tausende Menschen bedeutete er Zwischenstation und Ausgangspunkt für die Massendeportationen zur Zwangsarbeit oder in die Gaskammern von Treblinka. Außerhalb des Bildausschnitts weiter links lag das frühere Jüdische Krankenhaus, das als Warteraum bis zur Deportation genutzt wurde. Im Vordergrund sind Stroop selbst sowie eine Gruppe von Trawniki-Männern in ihren charakteristischen, schwarz gefärbten Uniformen abgebildet. Die Bildunterschrift nutzt mit der Formulierung "Askaris, die mit eingesetzt waren", den für die Trawniki-Männer damals gebräuchlichen Terminus, der ursprünglich im frühen 20. Jahrhundert als Bezeichnung für einheimische Soldaten in den deutschen Kolonialtruppen in Afrika verwandt wurde. Wegen ihrer Unzuverlässigkeit hatte Stroop die Trawniki-Männer während seines Einsatzes bald nur mehr zur äußeren Sicherung des Restghettos eingesetzt.78 Auch am Umschlagplatz hatten sie die auf neue Deportationszüge wartenden Menschen zu bewachen. Zahlreiche Überlebende erinnerten sich, welchen Alptraum an fortwährenden Gewaltexzessen die Trawniki-Männer dabei veranstalteten: "Auf dem Umschlagplatz war ich drei Tage", erinnerte sich etwa Aaron Kaufmann. "Dort erlebte ich, wie die Ukrainer Frauen herausholten, sie vergewaltigten und sie dann erschossen. Dann warfen sie die Leichen aus den Fenstern heraus."79
Vielfach bilden die Stroop-Fotos somit einschlägige Täter ab. Ergänzend zu den abgebildeten Trawniki-Männern, der zahlreich eingesetzten Waffen-SS und Ordnungspolizisten, Wehrmachtsartillerie und Warschauer Gestapo, lassen sich etliche Deutsche auch konkret namentlich identifizieren. Dazu zählt insbesondere der mehrmals abgebildete Stroop als Verantwortlicher für den mörderischen Einsatz.80 In der zu seinem Schutz gebildeten Eskorte sind mehrfach Männer abgebildet, die im Ghetto schon seit Jahren Angst und Terror verbreitet hatten. Unter der Ghettobevölkerung waren beispielsweise die Warschauer Gestapo-Angehörigen Josef Blösche und Heinrich Klaustermeyer wegen individueller Gewalttaten und ungezählter Morde gefürchtet. Sie sind ein Beispiel dafür, wie selbst Einzelne das Klima von Gewalt und Terror erheblich mitbestimmen konnten.81
Stroops Fotos enden mit der Darstellung vollkommen zerstörter Häuser und Straßenzüge, die in Verbindung mit dem ersten Abzug des "Bildberichts" wie eine Klammer wirken, um den Gesamttitel und das faktische Ergebnis auch bildlich zu unterstreichen. Wohl nicht zufällig ist der SS-Führer selbst mit seiner unverwechselbaren Gebirgsjägermütze auf dem letzten Foto im Kreis seiner Männer erkennbar, wie er letzte Meldungen entgegenzunehmen und abschließend die Trümmerlandschaft zu inspizieren scheint. Unabsichtlich symbolisiert aber genau diese Abbildung wiederum den historischen Erfolg des jüdischen Aufstands, denn genau an diesem Ghettotor, Geşia-, Ecke Nalewki-Straße, hatte die ZOB am Morgen des 19. April unmittelbar nach Stroops Kommandoübernahme die bereits einmal zurückgeschlagenen und dann erneut vordringenden SS- und Polizeieinheiten ein weiteres Mal massiv angegriffen.
Bilanz und Perspektiven
Ergänzend zu den abschließenden Fotos schrieb Stroop in seiner Darstellung, er habe die "Großaktion" am Abend des 16. Mai mit der Zerstörung der jenseits des Restghettos gelegenen großen Warschauer Synagoge erfolgreich abgeschlossen. Selbst die Zerstörung dieses einen Gebäudes hatte sich jedoch als so schwierig erwiesen, dass er gezwungen war, die eigentlich bereits für den Vortag vorgesehene Sprengung zu verschieben.82 Aber auch jenes Datum markiert keineswegs das tatsächliche Ende des jüdischen Widerstands. Vielmehr inszenierte Stroop an diesem Sonntag einen symbolischen Endpunkt, um Himmler und Krüger endlich den längst überfälligen Erfolg melden zu können. In Wirklichkeit kam es in den folgenden Wochen und Monaten zu weiteren bewaffneten Auseinandersetzungen auf dem Ghettogelände, das die Deutschen zur gleichen Zeit systematisch in eine Trümmerlandschaft verwandelten.
Die apokalyptischen Zustände, die währenddessen im einstigen Ghettobereich geherrscht haben, sind durch Erinnerungen und Nachkriegsaussagen von Überlebenden und Tätern vielfach überliefert. Letzte organisierte und einzelne versprengte Kämpferinnen und Kämpfer griffen die Deutschen aus der Deckung der Ruinenlandschaft an, wobei Munitions- wie Nahrungsmangel weiteren bewaffneten Widerstand zunehmend unmöglich machten. Auf der Gegenseite suchten Ordnungspolizisten des III. Bataillons des Polizeiregiments 23 systematisch nach Verstecken und ermordeten entdeckte Jüdinnen und Juden direkt vor Ort. Jüdische Zwangsarbeiter mussten Tag für Tag Bereiche der Trümmerlandschaft räumen und dabei aufgefundene Leichen ihrer einstigen Gemeindemitglieder auf Scheiterhaufen verbrennen. Um eine Flucht der Sklavenarbeiter im unübersichtlichen Gelände zu verhindern, hatten die Deutschen deren Ehefrauen und Kinder als Geiseln im Keller der Polizeiunterkunft eingesperrt.83
Zu der Zeit stand die im deutsch besetzten Polen unter dem Tarnbegriff "Aktion Reinhard" organisierte Shoah vor dem Abschluss. Warschauer Jüdinnen und Juden, die bis dahin überlebt hatten, mussten sich entweder im Untergrund oder in Vernichtungs-, Konzentrations- oder Zwangsarbeitslagern der Deutschen schlimmstenfalls noch annähernd zwei Jahre behaupten, um endlich die lang ersehnte Befreiung erleben zu können. Ihr Beispiel unterstreicht, wie nahe die Nationalsozialisten ihrem Ziel der Vernichtung des europäischen Judentums wirklich gekommen waren. Ein Überleben war dabei nur in Ausnahmen und mit einem häufig übermenschlich anmutenden Maß an Mut und Widerständigkeit möglich.84
Auf der Grundlage der angedeuteten, vielfältig überlieferten Quellen zum Aufstand im Warschauer Ghetto werden zukünftig ergänzend zu allen bisherigen wichtigen Forschungsarbeiten noch manche unbeantwortet gebliebenen Fragestellungen gewinnbringend analysiert werden können, was das Wissen zum Thema vielversprechend ergänzen wird. Die Erkenntnisse gilt es auch einer interessierten Öffentlichkeit zu vermitteln, um damit die Bedeutung des Aufstands zu unterstreichen und die zahlreichen jüdischen Opfer nicht zu vergessen. Aus seiner Sicht hat Marek Edelman dazu formuliert: "Wir, die überlebt haben, überlassen es Euch, dass die Erinnerung an sie nicht verloren geht."85 Selbst der Stroop-Bericht als zentrale Quelle der Täter kann dazu Erhellendes beitragen.
Grundlegend zur Geschichte des Warschauer Ghettos, zum jüdischem Alltag, Selbstorganisierung und Widerstand Barbara Engelking/Jacek Leociak: The Warsaw Ghetto. A Guide To The Perished City, New Haven, London 2008.
↩Samuel D. Kassow: Ringelblums Vermächtnis. Das geheime Archiv des Warschauer Ghettos, Reinbek 2010; Ruta Sakowska: Die zweite Etappe ist der Tod. NS-Ausrottungspolitik gegen die polnischen Juden, gesehen mit den Augen der Opfer, Berlin 1993.
↩Israel Gutman: The Jews of Warsaw, 1939-1945. Ghetto, Underground, Revolt, Bloomington 1982, S. 236-249, 283-293; Havi Dreifuss: The Leadership of the Jewish Combat Organization during the Warsaw Ghetto Uprising: A Reassessment, in: Holocaust and Genocide Studies 31-1(2017), S. 24-60.
↩Moshe Arens: Flags over the Warsaw Ghetto. The Untold Story of the Warsaw Ghetto Uprising, Jerusalem 2011; kritisch zu Fehlstellen und Mythen in der Überlieferung Dariusz Libionka/Laurence Weinbaum: Deconstructing Memory and History: The Jewish Military Union (ZZW) and the Warsaw Ghetto Uprising, in: Jewish Political Studies Review 18:1-2(2006), vgl. https://www.jcpa.org/phas/phas-libionka-weinbaum-s06.htm, 23.5.2023
↩Judy Batailion: Sag nie, es gäbe nur den Tod für uns. Die vergessene Geschichte jüdischer Freiheitskämpferinnen, München 2021.
↩Zu den Januarkämpfen Engelking/Leociak, S. 312-316; Befehl Reichsführer-SS, 16.2.1943, Bundesarchiv Berlin (BAB), NS 19/1740.
↩Ebd., S. 371-375; zur Kommandoübernahme Stroops vgl. Vernehmung Max Jesuiter, 17.10.1961, Bundesarchiv Ludwigsburg (BAL), B 162/3674; zur Person vgl. dessen SS-Offiziersakte, BAB, SSO Jürgen Stroop.
↩Anielewicz an Zuckerman, 23.4.1943, zitiert nach: Joseph Wulf: Das Dritte Reich und seine Vollstrecker, Berlin 1961, S. 116.
↩Mitteilung des Warschauer Bevollmächtigten der polnischen Exilregierung, 30.4.1943, in: Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, hrsg. von Susanne Heim, Ulrich Herbert, Michael Hollmann u.a., Bd. 9 (VEJ9), München 2014, S. 636.
↩Gutman, Jews, S. 412-415; auf die Tatsache machte Barbara Engelking kürzlich in einem Interview erneut aufmerksam. Dazu und zu den skandalösen Reaktionen von Politikern der polnischen Regierungspartei PIS, die unabhängige, kritische Wissenschaft massiv bedrohen, vgl. https://www.nzz.ch/feuilleton/polen-und-der-holocaust-zensur-der-geschichte-ld.1737369, 25.5.2023.
↩Vgl. Reuben Ainsztein: Jüdischer Widerstand im deutschbesetzten Osteuropa während des Zweiten Weltkrieges, Oldenburg 1993; Arno Lustiger: Zum Kampf auf Leben und Tod! Das Buch vom Widerstand der Juden 1933–1945. Köln 1994.
↩Zivia Lubetkin: Die letzten Tage des Warschauer Gettos, Berlin 1949; Yitzhak Zuckerman: A surplus of memory. Chronicle of the Warsaw ghetto uprising, Berkeley 1993.
↩Vgl. in Kürze in englischer Übersetzung Havi Dreifuss: The Warsaw Ghetto - The End. April 1942 - June 1943.
↩Joseph Wulf betonte die Bedeutung der Quelle bereits 1961, vgl. ders., Vollstrecker, S. 13ff.; vgl. https://webarchive.unesco.org/web/20220403133731/http://www.unesco.org/new/fileadmin/MULTIMEDIA/HQ/CI/CI/pdf/mow/nomination_forms/poland_stroop_eng.pdf, 23.5.2023.
↩Vgl. Richard Raskin: A Child at Gunpoint. A Case Study in the Life of a Photo, Aarhus 2004; abgesehen von den Stroop-Fotos hat der polnische Feuerwehrmann Zbigniew Leszek Grzywaczewski während des Aufstands etliche Fotos heimlich aufgenommen, von denen manche erst kürzlich entdeckt wurden, vgl. https://www.timesofisrael.com/21-never-published-photos-of-warsaw-ghetto-revolts-aftermath-found-in-poland-attic/?fbclid=IwAR10-QhESINV4ruHXbl3a67-bDZY7m3FfQ6sAVAIe4LVM7uX_vBcBMleBE4, 15.4.2023.
↩Zur unkritischen Verwendung der Stroop-Fotos zuletzt Tal Bruttman/Christoph Kreutzmüller: Aus der Dunkelkammer der Mörder. Fotos vom Aufstand im Warschauer Ghetto, vgl. https://www.spiegel.de/geschichte/aufstand-im-warschauer-ghetto-vor-80-jahren-aus-der-dunkelkammer-der-moerder-a-4fed0afe-d73e-4c2a-bf7f-a7afa4595740, 22.4.2023.
↩„Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr!“. Der Stroop-Bericht, hrsg. und eingeleitet von Andrzej Wirth, Neuwied ua. 1960; The Stroop Report. Translated from the German and annotated by Sybil Milton, Introduction by Andrzej Wirth, New York 1979; Andrzej Zbikowski (Hrsg.): Żydowska Dzielnica Mieszkaniowa w Warszawie już nie istnieje! [Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr!], Warschau 2009; online auch https://pamiec.pl/ftp/ilustracje/Raport_STROOPA.pdf, 23.5.2023; abgesehen davon edierte Joseph Wulf den Stroop-Bericht ohne die Fotos und kontextualisierte die Tagesmeldungen mit zahlreichen Quellen des jüdischen Widerstands, vgl. Wulf, Vollstrecker, S. 65-179; auch Magdalena Kunicka-Wyrzykowska untersuchte den Stroop-Bericht eingehender, vgl. dies.: Der Stroop-Bericht – Die Geschichte eines Dokuments des Verbrechens, in: Peter Schneider (Hrsg.): „Die Vergangenheit mahnt! – Zum 40. Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Ghetto“. Dokumentation, Bonn 1983, S. 276-291.
↩Kazimierz Moczarski: Gespräche mit dem Henker, Berlin 1984, S. 215; Tagesmeldung 13.5.1943, Stroop-Bericht/IPN, S. 69.
↩Begleitschreiben Krüger an Himmler, 2.6.1943, Bundesarchiv Koblenz, Nürnberger Dokumente/NO-2573.
↩Zur gebundenen Version AIPN, Ref. IPN BU 2972/34, vgl. die Edition https://pamiec.pl/ftp/ilustracje/Raport_STROOPA.pdf, 3.5.2023; zur ungebundenen Version NARA, NM-66 2A/275, vgl. https://catalog.archives.gov/id/6003996, 23.5.2023. Stroops Adjutant Kaleske gab in US-Gefangenschaft an, dessen gebundenes Exemplar in der Kriegsendphase zusammen mit weiteren Dokumenten verbrannt zu haben, vgl. Kunicka-Wyrzykowska, Stroop-Bericht, S. 283f.; Raskin, Child, S. 26-31. Die Existenz von vier Exemplaren des Stroop-Berichts erscheint durchaus denkbar, lässt sich zweifelsfrei aber wohl nicht mehr klären.
↩Stroop-Bericht/NARA, Bl. 089750, 089818f.; vgl. Stroop-Bericht/IPN, Tagesmeldung 24.5.1943, S. 75f. Theoretisch hätte auch Krüger in Krakau veranlassen können, dass die Tagesmeldung in Himmlers Exemplar hinzugefügt wird. Das ist aber offenbar nicht geschehen, vielmehr ist jenes Fernschreiben eine Fotokopie der Abschrift der ungebundenen Version.
↩Zu den nachträglich ergänzten Kopien in der US-Version gehört auch das berühmte Foto des Jungen mit den erhobenen Händen. Erkennbar ist die Ergänzung daran, dass zwei Fotos der ungebundenen Version ihre Bildunterschriften jeweils auf den Abzügen selbst und nicht darunter tragen. Zudem ist auf den ersten beiden ergänzten Blättern die sonst gestempelte Paginierung der US-Version nur mit Bleistift als zusätzliche Einfügung „a“ und „b“ ergänzt, während sie auf dem letzten Blatt fehlt.
↩Vernehmung Max Jesuiter, 2.10.1963, BAL, B 162/3697; vgl. Victor Klemperer: LTI [Lingua Tertii Imperii]. Notizbuch eines Philologen, Berlin 1947; zur verwendeten Sprache auch Zbikowski, Dzielnica Mieszkaniowa, S. 12ff.
↩Kommandobefehl Nr. 65, Kommandostab RFSS, 13.8.1942, Vojenský ústřední archiv [Zentrales Militärarchiv] Prag, Kdostab/K 4, A 17.
↩Stroop erhielt für die Warschauer Ghettovernichtung das Eiserne Kreuz I. Klasse, vgl. Wulf, Vollstrecker, S. 28; zum „Erlösungsantisemitismus“ Saul Friedländer: Das Dritte Reich und die Juden. Die Jahre der Verfolgung 1933-1939, München 2000, S. 96-128.
↩Das kam bereits während des Warschauer Prozesses gegen Stroop und Konrad zur Sprache, vgl. Vernehmung Stroop, 19.7.1951, Staatsarchiv Hamburg (StAH), 213-12/072, Bd. 7, Bl. 76f.; zum Bericht Waldemar Schön, 20.1.1941, vgl. VEJ 9, S. 648, Anm. 3.
↩Stroop-Bericht/IPN, S. 16. Während im Himmler-Befehl von „größerer Härte“ die Rede war, zitierte Stroop ihn im Superlativ, vgl. Fernschreiben Himmler, 22.4.1943, abgedruckt in: Wulf, Vollstrecker, S. 236; in Warschauer Haft erzählte Stroop seinen Mitgefangenen, während des Einsatzes wiederholt von Himmler persönlich angerufen worden zu sein, vgl. Moczarski, Gespräche, S. 168, 176f, 183.
↩Vgl. Wolfgang Curilla: Der Judenmord in Polen und die deutsche Ordnungspolizei 1939-1945, Paderborn u.a. 2011, S. 610.
↩Zu einzelnen Widersprüchen Martin Cüppers: Wegbereiter der Shoah. Die Waffen-SS, der Kommandostab Reichsführer-SS und die Judenvernichtung 1939-1945, Darmstadt 2005, S. 304; Gutman, Jews, S. 392-395; Stroops Reaktion auf den Vorwurf manipulierter Verlustzahlen in Moczarski, Gespräche, S. 217; vgl. erste Tagesmeldung, 20.4.1943, Stroop-Bericht/IPN, S. 21.
↩Zur eingesetzten Waffen-SS vgl. Cüppers, Wegbereiter, S. 295-304; zur Ordnungspolizei Curilla, Ordnungspolizei, S. 606-621.
↩Vgl. Vernehmung Franz Wild, 21.3.1973, StAH, 213-12/072, Bd. 21, Bl. 26936ff.; Vernehmung Franz Konrad, 18.7.1951, StAH, 213-12/072, Bd. 7, Bl. 42.
↩Vernehmung Jürgen Stroop, 19.7.1951, StAH, 213-12/072, Bd. 7, Bl. 34; Vernehmung Franz Konrad, 18.7.1951, ebd., Bl. 42; vgl. Aussage Karolina Markowa, 20.7.1951, ebd., Bl. 60.
↩Für die wiederholt dargestellte These, Angehörige der Propagandakompanie 689 seien Urheber der Fotos gewesen, ließen sich in den Quellen keinerlei Hinweise finden. Deren Beteiligung erscheint angesichts der nachweislichen Tätigkeit der SS-Fotografen auch nicht plausibel.
↩Aus dem ursprünglichen Konvolut sind Dutzende weiterer Fotos erhalten, die nicht für den Stroop-Bericht verwendet wurden. Zahlreiche dieser Abzüge, die unverkennbar aus den Bildserien der Fotografen Wild und Konrad stammen, sind abgedruckt im Fotoband Warszawskie Getto 1943-1988. W 45 Rocznicę Powstania, Warschau 1988.
↩Stroop-Bericht/IPN, S. 78; vgl. Aussage Szlomo Sterdiner, 20.7.61, BAL, B 162/3678; Vernehmung Hermann Hagner, 9.4.63, ebd., 3684; Vernehmung Franz Konrad, 18.7.1951, StAH, 213-12/072, Bd. 7, Bl. 55.
↩Bericht ZOB, 19.4.1943, zitiert nach VEJ 9, S. 618; Aussage Marek Edelman, 19.7.1951, StAH, 213-12/072, Bd. 7, Bl. 110.
↩Stroop-Bericht/IPN, S. 81f.; die an der Oberbekleidung der Juden sichtbaren, noch von Stroops Vorgänger ausgegebenen weißen Karten berechtigten die Inhaber, sich zumindest vorübergehend noch im Ghetto aufzuhalten, um beim Abtransport von Maschinen des Betriebsinventars mitzuwirken, vgl. Aussage Sam Henry Hoffenberg, 4.11.1961, BAL, B 162/3674.
↩Aussage Adolf Berman, 28.4.1966, BAL, B 162/3711. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Ringelblum ein deutsches Arbeitszertifikat erlangen konnte. Der auf dem Foto ganz links im Profil sichtbare Mann hat aber zumindest eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Historiker von Oneg Shabbat.
↩Teils ermöglichten das Recherchen zu dem im Ghetto gedrehten NS-Propagandafilm, vgl. Geheimsache Ghettofilm https://www.bpb.de/mediathek/video/159924/geheimsache-ghettofilm/, 25.5.2023; zudem haben vor allem private Initiativen in Internetforen mit historischen Vergleichsfotos und Detailanalysen zahlreiche Stroop-Fotos lokalisieren können, vgl. http://www.kolejkamarecka.pun.pl/viewtopic.php?id=526, 25.5.2023.
↩Vernehmung Franz Konrad, 18.7.1951, StAH, 213-12/072, Bd. 7, Bl. 24; Joachim Jahns: Der Warschauer Ghettokönig, Leipzig 2009, S. 163, 168, 176; vgl. Vernehmung Max Jesuiter, 17.10.1961, BAL B 162/3674.
↩Stroop-Bericht/NARA, Bl. 089836. Die IPN-Version enthält mit gleichlautender Beschriftung eine weitere Abbildung der gleichen Szene, die vom Fotografen Sekunden später aus einem anderen Blickwinkel aufgenommen wurde.
↩Stroop-Bericht/IPN, S. 103; vgl. Tagesbericht, 8.5.1943, S. 59; Yad Vashem Bulletin 22(1968), S. 37-39.
↩Vgl. Stroop-Bericht/IPN, S. 116. Auf dem Foto ist ganz rechts Blösche, daneben Klaustermeyer und etwas verdeckt dahinter Stroops Adjutant Karl Kaleske abgebildet.
↩Vgl. Aussage Ascher Passermann, 8.5.1966, BAL, B 162/3712; Vernehmung Georg Buchner, 1.8.1962, ebd., /3693.
↩