90. Jahrestag der Bücherverbrennungen

Ein Blick auf unsere „Lesung zur Bücherverbrennung“

Im Mai 1933 fand in rund dreißig deutschen Städten eine von der Deutschen Studentenschaft geplante und inszenierte öffentliche Verbrennung von Büchern statt. Mit dieser Aktion begann die Verfolgung jüdischer und bei den nationalsozialistischen Machthabern politisch unliebsamer Autor*innen.

Vor fünf Jahren, anlässlich des 85. Jahrestags dieser Ereignisse, haben wir zusammen mit dem Aktiven Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V. und der Zentral- und Landesbibliothek Berlin eine Sonderausstellung erarbeitet, die unterschiedliche Berliner Bibliotheken auf deren Rolle hinsichtlich verbotener, konfiszierter und geraubter Bücher und Bestände hin untersuchte.

Als Teil des Begleitprogramms zu dieser Ausstellung haben wir damals eine erste „Lesung aus verbrannten Büchern“ organisiert. Die Schriftsteller*innen Judith Hermann, Hanna Lemke und Per Leo, der Übersetzer Gregor Runge und der Verleger Jörg Sundermeier lasen Texte von Lisa Tetzner, Irmgard Keun, Ernst Glaeser, Joseph Roth und Erich Mühsam.

Wegen des großen Erfolgs der Veranstaltung beschlossen wir, daraus eine jährlich wiederkehrende Reihe zu machen, verantwortet von Monika Sommerer, der Leiterin unserer Joseph Wulf Bibliothek, und mir als (damaliger) Vertreterin der Bildungsabteilung. Zum Konzept gehörte ab dem zweiten Jahr ein übergreifendes Thema für die fünf ausgewählten Beiträge. Außerdem sollten die Vorleser*innen wie schon bei der Auftaktveranstaltung aus der Literatur-Szene kommen. Sie sollten von uns ausgewählte, etwa 10minütige Passagen aus möglichst unterschiedlichen Textgattungen lesen, in die wir abwechselnd einführen bzw. über die Verfolgungsgeschichte des Autors /der Autorin informieren wollten. Im zweiten Jahr, dem 100. Jahrestag der Einführung des Frauenwahlrechts, wählten wir nur Bücher von Frauen aus und konnten die Schriftstellerinnen Hanna Lemke, Ursula Krechel und Anke Stelling sowie die Verlegerinnen Britta Jürgs und Nora Pester für das Vortragen der Texte gewinnen. Gelesen wurde aus Werken von Gabriele Tergit, Gina Kaus, Vicki Baum, Maria Leitner und Clara Zetkin.

Im Jahr 2020 begann die Corona-Pandemie, und wir mussten uns schnell eine Alternative zu einer öffentlichen Lesung überlegen. Digitale Angebote für die Daheimbleibenden wurden sehr populär, und so entschlossen wir uns, die Beiträge als kleine Podcasts auf unserer Webseite zu publizieren.  Die Aufnahmen machten unsere Vorleser*innen – die Schriftsteller*innen Manja Präkels, Tilman Rammstedt, Gregor Sander und Judith Schalansky sowie der Verleger Thomas Sparr – jeweils alleine zu Hause, die zusätzlichen Informationen formulierten wir als kleine schriftliche Einführungen. In diesem Jahr ging es um Texte, die rund um das Kriegsende 1945 entstanden waren, geschrieben von Autor*innen, die von den Bücherverbrennungen betroffen waren. Diese Audio-Beiträge sind weiterhin abrufbar

2021 lasen dieselben Vorleser*innen. Nur Judith Schalansky war verhindert und wurde durch Markus Liske ersetzt. Da immer noch keine größeren Zusammenkünfte von Menschen möglich waren, planten wir diesmal zusammen mit der „Koordinierungsstelle Historische Stadtmarkierungen“, vertreten durch Nora Hogrefe, Video-Lesungen als „Interventionen im Stadtraum“, aufgenommen vor Gedenktafeln, die letzte Wohn- oder Zufluchtsorte in Berlin vor Flucht oder Ermordung kennzeichnen.

Im letzten Jahr konnte endlich wieder eine „klassische“ Lesung stattfinden, diesmal zum Thema „Verfolgte Journalist*innen“. Gesa Ufer (rbb/Deutschlandfunk), Dr. Florian Klenk (Falter), Ulrike Winkelmann (taz) und Kaspar Nürnberg (Aktives Museum), der für den kurzfristig verhinderten Deniz Yücel einsprang, lasen Texte von Gabriele Tergit, Richard Arnold Bermann, Adelheid Popp und Leo Hirsch.

Mit der Planung für die diesjährige Lesung haben wir natürlich schon begonnen. Das Thema soll unserem Jahresthema entsprechen: Antisemitismus. Nur eine bedeutende Sache wird anders sein: Monika Sommerer verlässt im Frühjahr die Gedenkstätte und wechselt als Leiterin der Bibliothek ins Jüdische Museum. Ihren Part wird das Bibliotheksteam übernehmen. Wir wünschen Monika alles Gute für die Zukunft und werden sie sicher als Zuschauerin der Lesung am 10. Mai 2023 begrüßen können!

 

Text: Ruth Preusse