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Siegen, 10. November 1938

Schaulustige vor brennender Synagoge

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Der Brand ist heftig, doch die Menge offenbar nur wenig aufgebracht. Als am 10. November 1938 die Synagoge in der westfälischen Stadt Siegen brennt, versucht niemand, das Feuer zu löschen.

Knapp zwei Wochen zuvor hatten die ersten Abschiebungen stattgefunden: Polnische Jüdinnen und Juden, die im Deutschen Reich lebten, wurden in Richtung Polen abgeschoben. Als der in Paris lebende Jugendliche Herschel Grynszpan hörte, dass seine Familie davon betroffen war, schoss er auf einen deutschen Botschaftsmitarbeiter. Dieses Attentat nutzten die Nationalsozialisten als Rechtfertigung – für längst geplante Gewalttaten gegen die jüdische Bevölkerung, die nun als Racheaktionen dargestellt werden konnten.

Es kam zu den landesweiten Novemberpogromen, hunderte Synagogen wurden niedergebrannt und unzählige Geschäfte jüdischer Inhaber zerstört. SA- und SS-Leute, Parteimitglieder, aber auch viele Mitläufer überfielen Jüdinnen und Juden in ihren Wohnungen, zerstörten das Inventar und misshandelten und töteten die Bewohner. Etwa 27 000 Juden wurden dabei auf Anordnung von Heinrich Müller verhaftet und in die Konzentrationslager Sachsenhausen, Buchenwald und Dachau verschleppt. Müller war ein enger Mitarbeiter Reinhard Heydrichs und Teilnehmer der Besprechung. Eine Entlassung aus den Lagern wurde denjenigen in Aussicht gestellt, die ein Bußgeld zahlten –  genau genommen war es ein Lösegeld – und versprachen, das Deutsche Reich dauerhaft zu verlassen.

Ziel der Politik war, Jüdinnen und Juden zur Auswanderung zu zwingen, was neben den Pogromen auch durch Enteignungen vorangetrieben wurde. Viele deutsche Juden, die bis dahin noch auf eine Besserung der Lage vertraut hatten, versuchten nun das Deutsche Reich zu verlassen. Doch Ende 1938 hatten bereits viele Länder erhebliche Einwanderungsbeschränkungen erlassen oder ihre Grenzen ganz geschlossen.