Raphael Lemkin
Raphael Lemkin (1900–1959) prägt den Begriff des Genozids und ist Initiator der UN-Genozidkonvention von 1948.
Lemkin wird in Bezwodne, im westlichen Teil des Zarenreiches (heute Belarus) geboren. Er studiert ab 1920 Jura, Literatur und Philosophie in Lwów sowie kurzzeitig in Heidelberg und promoviert 1926. Ab 1929 ist er Staatsanwalt in Warschau und arbeitet unter anderem zu juristischen Aspekten ethnischer Gewalt. Er befasst sich mit dem armenischen Genozid im Osmanischen Reich. Die Pogrome und die Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung in Polen kennt er aus eigener Anschauung und fordert ab 1933 vergeblich, ein internationales Recht zu schaffen, das Regierungen zwingen würde, bei einer gezielten Ermordung von ethnischen oder religiösen Gruppen einzuschreiten und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.
Bei Kriegsbeginn 1939 flüchtet Lemkin über Wilna nach Schweden und lehrt an der Universität Stockholm. Gleichzeitig sammelt er Dokumente zur Verfolgung unterschiedlicher ethnischer Gruppen im besetzten Europa. 1941 geht er in die USA und unterrichtet an der Duke University. 1944 veröffentlicht er das Buch Axis Rule in Occupied Europe (Die Herrschaft der Achsenmächte im besetzten Europa). Darin entwickelt er erstmals den Begriff Genozid: „[…] ein koordinierter Plan verschiedener Aktionen, der auf die Zerstörung essenzieller Grundlagen des Lebens einer Bevölkerungsgruppe gerichtet ist mit dem Ziel, die Gruppe zu vernichten.“
Nach 1945 arbeitet Lemkin zunächst für Robert Jackson, den US-Chefankläger im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess. 1948 verabschieden die Vereinten Nationen die von Lemkin seit Langem vorbereitete Genozidkonvention.
“Wenn Frauen, Kinder und alte Menschen hundert Meilen von hier ermordet würden, würden Sie dann nicht zu Hilfe eilen? Warum aber trifft Ihr Herz nicht dieselbe Entscheidung, wenn es nicht hundert, sondern 3000 Meilen sind?”