Manja Präkels liest aus Anna Seghers

„Das Ende“

Anna Seghers (Foto: Christa Hochneder. Bundesarchiv, Bild 183-F0114-0204-003 / CC BY-SA 3.0 DE)

Anna Seghers gehört zu den wichtigsten Protagonistinnen der deutschen Exilliteratur. Ihre bekanntesten Werke, „Das siebte Kreuz“ und „Transit“, sind im Exil entstanden und von dieser Erfahrung gezeichnet.

Als Jüdin und Kommunistin war Seghers nach Machtantritt der Nationalsozialisten doppelt gefährdet. Sie wurde von der Gestapo kurzzeitig in Haft genommen, ihre Bücher öffentlich verbrannt. Kurz darauf gelang ihr die Flucht über die Schweiz nach Frankreich. Dort gehörte Seghers 1935 zu den Gründungsmitgliedern des „Schutzverbands deutscher Schriftsteller im Ausland“, der einen internationalen linken Widerstand gegen das Deutsche Reich organisierte. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich floh sie mit ihrem Mann und zwei Kindern in den Süden des Landes. Im März 1941 gelang ihnen über Marseille die Auswanderung nach Mexiko. Dort angekommen, schrieb sie den Roman „Das siebte Kreuz“, das zwei Jahre später verfilmt wurde und Anna Seghers berühmt machte.

Manja Präkels liest den Beginn der Erzählung „Das Ende“, entstanden 1945. Wir haben diese Passage ausgewählt, weil sie ein wichtiges Thema behandelt: den Umgang mit den Tätern in der Nachkriegszeit. Was Seghers hier aus dem fernen Mexiko für die Zukunft in Deutschland formuliert, ist psychologisch interessant: Sie schildert die zufälligen Begegnung eines ehemaligen KZ-Häftlings mit seinem Peiniger, dem KZ-Aufseher Zillich. Nachdem Seghers in „Das siebte Kreuz“ die Flucht einer Gruppe von KZ-Häftlingen aus einem Konzentrationslager beschrieben hatte, drehte sie die Täter-Opfer-Perspektive nun also um: Den kaltblütigen Täter holt seine Vergangenheit ein, er wird selbst zum Verfolgten. Da wir aus Zeitgründen nicht die gesamte Erzählung vorlesen können, sei vorweggenommen, dass sich der SS-Mann auf eine Flucht begibt, sich ständig in der Gefahr wähnend, erneut entdeckt zu werden. Seine Frau will ihn diesmal nicht wieder aufnehmen. Am Ende nimmt er sich selbst das Leben. 

Seghers kehrte 1947 nach Deutschland zurück und wurde 1952 Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR. Zur Aufarbeitung von Täterschaft in der DDR äußerte sie sich nicht.

Manja Präkels liest aus Anna Seghers:
„Das Ende“

Manja Präkels

Manja Präkels
(copyright M. Präkels)

ist Autorin und Musikerin. Für ihren Debütroman „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ erhielt sie das Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium 2018, den Deutschen Jugendliteraturpreis 2018 sowie den Anna-Seghers-Preis 2018.