Thomas Sparr liest aus Erich Kästner

„Kann man Bücher verbrennen?“ und „Talent und Charakter“

Erich Kästner, 1961 (Foto: Basch / Dutch National Archives, The Hague, Fotocollectie Algemeen Nederlands Persbureau (ANEFO), 1945-1989)

Von den Schriftstellerinnen und Schriftstellern, deren Bücher öffentlich verbrannt wurden, ist Erich Kästner heute einer der bekanntesten. Er stand selbst am 10. Mai 1933 auf dem Bebelplatz in Berlin und schrieb Jahre später einen Text darüber, den Thomas Sparr für uns lesen wird.

Kästner hat, anders als viele seiner Kolleginnen und Kollegen, Deutschland nicht verlassen, obwohl seine Möglichkeiten zu publizieren stark eingeschränkt wurden. Doch er entschied sich, als Chronist der Ereignisse zu bleiben, auch wollte er seine Mutter nicht zurücklassen. In seinem Epigramm „Notwendige Antwort auf überflüssige Fragen“ (1950) heißt es dazu: 

„Ich bin ein Deutscher aus Dresden in Sachsen.
Mich läßt die Heimat nicht fort.
Ich bin wie ein Baum, der – in Deutschland gewachsen –
wenn’s sein muss, in Deutschland verdorrt.“

Neben seinen Betrachtungen zur Bücherverbrennung hat uns interessiert, wie sich jemand wie Kästner nach dem Zusammenbruch des Regimes eigentlich die Neuorganisation des Kunst- und Kulturbetriebs vorgestellt hat, wie er sich einbrachte und beteiligte. Er befand sich bei Kriegsende in Österreich, wohin er im März 1945 mit einem Filmteam zu angeblichen Dreharbeiten gereist war. Über diese Zeit führte er Tagebuch, dessen Lektüre wir auch gerne empfehlen („Notabene 45“). Einige Wochen später bekam er das Angebot, in München für das Feuilleton der von den Amerikanern herausgegebenen „Neuen Zeitung“ zu schreiben. Und da zeigte sich Kästner als deutlicher Warner vor denjenigen, die sich nun in vorderster Reihe für verantwortungsvolle Posten im Kulturbereich positionierten. Der Artikel „Talent und Charakter“, veröffentlicht am 28. Oktober 1945 in der Neuen Zeitung, ist der zweite Text, den Thomas Sparr lesen wird. In der Vorbemerkung der Redaktion heißt es: „Obschon wir uns die sehr lebendigen Ausführungen unseres Mitarbeiters nicht unbedingt zu eigen machen, so sind sie doch ein wertvoller Beitrag zu dem Problem der Selbsthilfe, die auch auf kulturellem Gebiet nur dann erfolgreich sein kann, wenn niemand, der Gutes leisten und auf eine saubere Vergangenheit hinweisen kann, beiseite steht.“

Thomas Sparr liest aus Erich Kästner:
„Kann man Bücher verbrennen?“

Thomas Sparr liest aus Erich Kästner:
„Talent und Charakter“

Thomas Sparr

Thomas Sparr (Foto: Jürgen Bauer)

ist heute Editor-at-Large des Suhrkamp Verlags. Von ihm erschienen zuletzt die Bücher: „Grunewald im Orient. Das deutsch-jüdische Jerusalem“ (2018) und „‚Todesfuge‘. Biographie eines Gedichts“ (2020).