Judith Schalansky liest aus Hannah Arendt

„Antisemitismus und faschistische Internationale“

Hannah Arendt, 1933 (Fotograf*in unbekannt. Quelle: Young-Bruehl, Elisabeth: Hannah Arendt. New Haven, Mass., 2004 / Wiki Commons)

Auch die junge jüdische Philosophin Hannah Arendt – später berühmt für ihre Politische Theorie und die Berichterstattung zum Eichmann-Prozess – nahmen die Nationalsozialisten 1933 ins Visier. Ob Texte von ihr im Mai verbrannt wurden, dazu gibt es unterschiedliche Angaben. Sicher ist, dass sie während ihrer Recherche zu antisemitischen Äußerungen in verschiedenen Presseerzeugnissen, die sie in Vorbereitung des geplanten 18. Zionistenkongresses unternahm, verhaftet wurde und nach ihrer Freilassung über Prag nach Paris floh.

Dort machte sie die Bekanntschaft mit einer ganzen Reihe von ebenfalls geflohenen Intellektuellen, Künstlerinnen und Künstlern. Auch ihren zweiten Ehemann, den Philosophen Heinrich Blücher, lernte sie dort kennen. Arendt engagierte sich in dieser Zeit für die Jugend-Aliyah, eine Organisation, die die Übersiedlung von Jugendlichen von Europa nach Palästina organisierte. 1935 reiste sie zu einem Besuch selbst dorthin. 

Nach Kriegsbeginn wurde Arendt als „feindliche Ausländerin“ im Lager Gurs interniert. Ihr gelang die Flucht, bevor die Deutschen das Lager übernahmen, und sie floh mit ihrem Mann über Portugal in die USA. In New York schrieb sie für die deutschsprachige Wochenzeitung „Aufbau“ und arbeitete als Lektorin für den Schocken Verlag. 

1945 schrieb sie den Essay „Antisemitismus und faschistische Internationale“, dessen Beginn Judith Schalansky lesen wird. Dieser Text kann als ein sehr früher Beitrag zur auch derzeit wieder geführten Diskussion um die Kontinuität von Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft gelesen werden. Für Arendt, die schon als Kind, angeregt von ihrer Mutter, antisemitische Haltungen sehr bewusst wahrnahm und sich dagegen zur Wehr setzte, ist völlig klar, dass der Krieg nur gegen die nationalsozialistische Regierung gewonnen wurde, nicht aber gegen die ideologischen Grundlagen. Und sie prophezeit, dass der Antisemitismus die Grundlage sein wird für neue, internationale rechte Bewegungen.

Judith Schalansky

Judith Schalansky (Foto: Andreas Schmidt)

ist Herausgeberin der Naturkunden und lebt als Gestalterin und freie Schriftstellerin in Berlin. Ihr Werk, darunter der international erfolgreiche Bestseller Atlas der abgelegenen Inseln sowie der Roman Der Hals der Giraffe, ist in mehr als 20 Sprachen übersetzt und wurde vielfach ausgezeichnet. 

Judith Schalansky liest aus Hannah Arendt:
„Antisemitismus und faschistische Internationale“