Walter Stanoski Winter (1919-2012)

Bildnachweis: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma       https://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view-bio/stanoski-winter/?no_cache=1
Fotografie Walter Winter in der Uniform der Kriegsmarine kurz vor seinem Ausschluss.

Walter Stanoski Winter (1919-2012) wuchs mit acht Geschwistern in einer Schaustellerfamilie auf. Er besuchte die Volksschule in Oldenburg. Als Elfjähriger reiste er ganzjährig mit seinen Eltern. Seit 1938 musste er Arbeitsdienst leisten, bis er wie sein Bruder Erich im Januar 1940 zur Wehrmacht eingezogen wurde. Dort diente Walter Winter in Wilhelmshaven im Rang eines Bootsmanns bei der Marine. Als Sinto wurde er aus "rassischen Gründen" nicht befördert und 1942 aus der Wehrmacht entlassen.  

Walter Winter wurde im März 1943 gemeinsam mit seinem Bruder Erich und seiner Schwester Maria in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort lernte er Bluma Schubert kennen. Walter Winter nahm am Aufstand vom 16. Mai 1944 im "Zigeunerlager" von Auschwitz-Birkenau teil. Am 31. Juli 1944 wurde er gemeinsam mit seinen beiden Geschwistern und seiner Frau in das KZ Ravensbrück verschleppt. Kurz vor Kriegsende kamen er und sein Bruder in das KZ Sachsenhausen und von dort wegen ihrer militärischen Erfahrung erneut an die Front. Walter Winter wurde verwundet, überlebte aber gemeinsam mit seinem Bruder den Krieg. Seine Frau Bluma starb im KZ Ravensbrück. 

Bericht von Walter Stanowski Winter

“Nachdem ich bereits 1938 beim Arbeitsdienst gewesen war, wurde ich am 1. Januar 1940 gemeinsam mit meinem Bruder Erich zum Militärdienst eingezogen. Ich wurde bei der Marine zum Spezialisten für eine bestimmte Kanonenart ausgebildet und habe entsprechende Lehrgänge absolviert; mein Dienstrang war Bootsmann. Ende 1941 wurden alle 14 Männer, die mit mir gemeinsam in einer Einheit waren, befördert, nur ich nicht. Da habe ich Verdacht geschöpft, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist, denn ich war bei meinen Vorgesetzten ja sehr beliebt. In dieser Zeit spielte ich auch in Wilhelmshaven, wo wir stationiert waren, in der Handball- und Fußballmannschaft der Marine. Ein Kamerad namens Sommer, mit dem ich zusammen Fußball spielte, saß in der Schreibstube. Als ich ihn fragte, warum ich nicht befördert worden sei, sagte er mir, dass der Antrag zwar auf dem Schreibtisch liege, die Beförderung jedoch nicht ausgesprochen werden dürfe, weil ich 'Nichtarier' sei. Er gestand mir sogar, dass er den Auftrag habe, mich zu überwachen. Ich konnte das alles nicht verstehen, ebenso wenig meine Vorgesetzten, nachdem ich sie zur Rede gestellt hatte.
Einige Wochen später war ich wieder zu Hause. In meinem Wehrpass war vermerkt, ich sei 'nicht zu verwenden'. In Oldenburg bin ich dann zum Wehrbezirkskommando gegangen und habe meinen Wehrpass abgegeben. Vier Wochen später kam auch mein Bruder nach Hause, der in Russland bei der Luftwaffe gewesen war. Bald darauf wurden wir beide nach Auschwitz deportiert.”

Am 16. Mai 1944 war er am Widerstand im „Zigeunerlager“ in Auschwitz beteiligt:

“Das ganze ,Zigeuner‘-Lager sollte vergast werden. […] Jetzt kam es drauf an. Wir hatten uns abgesprochen, dass keiner rausgeht, wenn sie den Befehl geben. Wir waren zu allem entschlossen. Jeder, der konnte, hatte sich mit irgendwas bewaffnet, mit Spaten, Steinen, was man finden konnte. Hinter der Blocktür haben wir gewartet. Jetzt hörten wir den Befehl, aus den Blocks zu treten: ,Raustreten! Marsch! Marsch!‘ Und noch mal: ,Sofort raustreten!‘ Wir im Block 18 haben uns nicht gerührt. […] Kein Häftling war draußen zu sehen, auch niemand aus den anderen Blocks hatte den Befehl befolgt. Ich glaube, die waren vollkommen fassungslos, dass alle, wirklich alle Häftlinge im ,Zigeunerlager‘ den Befehl verweigerten.”

Zitiert nach: Romani Rose (Hg.), "Den Rauch hatten wir täglich vor Augen" - Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma. Katalog zur ständigen Ausstellung im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg, Wunderhorn, 1999, S. 105. 

Guth, Karin: Z 3105. Der Sinto Walter Winter überlebt den Holocaust, Hamburg 2009.