Update, 22. Juli 2024: Alex Dancyg für tot erklärt
Alex Dancyg ist tot. Das bestätigten heute, einen Tag nach seinem 76. Geburtstag, die Israelischen Streitkräfte (IDF).
Wir trauern um unseren Kollegen.
Familie und Freund*innen sprechen wir unser herzliches Beileid aus.
Es ist alles verbrannt
Berlin-Wannsee, 6. November 2023
Die Wohnung von Alex Dancyg im Kibbutz Nir Oz ist völlig ausgebrannt. Während Yuval, der Sohn von Alex Dancyg, spricht, ist das Foto der ausgebrannten Wohnung, durch ein Fenster in den Wohnraum hinein aufgenommen, lebensgroß im Hintergrund präsent, auf einem Whiteboard.
Im großen Seminarraum sind Yuval und seine Frau Bat El Dancyg am Montagabend zu Gast im Haus der Wannsee-Konferenz. Von Beer Sheva reisen sie über Berlin nach Warschau. Ihr Vater Alex, vom Kibbutz Nir Oz nach Gaza verschleppt, ist auch polnischer Staatsbürger. Sie werben um weitere politische Unterstützung zur Freilassung ihres Vaters und aller Geiseln in Gaza.
Ab acht Uhr morgens am 7. Oktober haben Yuval und Bat El in Beer Sheva Kontakt zu Alex, auch zu Matti Danzig, dem älteren Sohn von Alex, der mit Frau und drei Kindern ebenfalls in Nir Oz zu Hause ist. Im Laufe der nächsten Stunden verdichten sich die schrecklichen Nachrichten.
Es ist ein Glück, sagt Yuval Dancyg, das aus seiner Familie niemand ermordet wurde. Der verschleppte Vater Alex ist herzkrank. Er braucht Medikamente, regelmäßig. Wie hat er die Aufregung überstanden? Wie wird er den andauernden Terror, dem er als verschleppte Geisel ausgesetzt ist, überstehen?
Das Haus der Wannsee-Konferenz macht seit einigen Wochen auf Alex Dancyg aufmerksam, weil er in Yad Vashem ein Kollege in der historisch-politischen Bildungsarbeit ist. Die Direktorin des Hauses, Deborah Hartmann, die Yuval Dancyg eingeladen hat, war bis 2020 Leiterin der deutschsprachigen, Alex Dancyg seit 2006 Leiter der polnischsprachigen Bildungsarbeit von Yad Vashem.
Über 60 Vertreter:innen der Zivilgesellschaft sind an den Wannsee gekommen: Rabbiner Andreas Nachama spricht über die Gottesdienste, die auch in seiner Gemeinde an die Opfer erinnern, und er spricht ein Gebet für die nach Gaza Verschleppten. DIG-Präsident Volker Beck und Deidre Berger vom Tikvah-Institut sprechen solidarische Worte, aber beklagen auch einen Mangel an Empathie.
Vertreter:innen der Politik sind Petra Pau (Linke), die die Grüße des Bundestagspräsidiums übermittelt, Kultusministerin Manja Schüle (SPD), die im Namen brandenburgischen Landesregierung spricht, und Cerstin Richter-Kotowski (CDU), Kulturstadträtin in Steglitz-Zehlendorf, die unter anderem an die Partnerstadt Sderot erinnert.
In Sderot, sagt Yuval Dancyg, sieht er am 7. Oktober morgens im Fernsehen Terroristen in Trucks, offen auf der Straße, und ihm wird klar: Etwas läuft hier schrecklich schief. Nicht nur die Überlebenden von Nir Oz berichten später, dass es neben den Terroristen viele Mitläufer aus Gaza gab, die am 7. Oktober mordeten, raubten, brandschatzten, Menschen verschleppten.
Wer also hat die Wohnung in Brand gesetzt? Wer hat seinen Vater verschleppt? In wessen Gewalt befindet er sich jetzt? Yuval Dancyg ist diese Botschaft wichtig: dass es neben den Verbrechen der Hamas die zahllosen Verbrechen von Menschen aus Gaza gab, die zusammen mit und nach den Terroristen im Kibbuz wüteten.
Yuval Dancyg ist ein ruhiger Mensch. Er berichtet mit klaren Worten. Wie weiter, wird er am Montagabend gefragt: Er wisse es nicht, er sei kein Politiker. Klar, Deutschland und Polen, so hoffe er, könnten über Katar oder Iran auf Hamas Druck ausüben – aber Hamas müsse verschwinden, so könne man nicht gemeinsam weiterleben.
Bitte schauen Sie sich das Foto an, bitte reichen Sie das Foto weiter, sagt Yuval Dancyg. Das ist die Gewalt, mit der wir es zu tun haben. Es ist alles verbrannt.