„Experten in eigener Sache“ – als Prüfer für eine neue barrierefreie Ausstellung im Haus der Wannsee-Konferenz unterwegs

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Im April 2017 wandte sich der Direktor der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz Dr. Hans-Christian Jasch mit der Bitte an die Behindertenvertretungen in Berlin, die Einrichtung einer neuen Dauerausstellung, deren Eröffnung im Januar 2020 geplant ist, zu unterstützen. In seinen Erläuterungen zum Projekt legte Herr Dr. Jasch dar, dass die neue Dauerausstellung durch die Schaffung eines „Design für alle“ für jede/r barrierefrei zugänglich sein soll. Auch unser Schwerhörigenverein erhielt diese Anfrage.

© GHWK Berlin
Zweite von links: die Autorin dieses Artikels, Andrea Mattern, daneben Fritz-Bernd Kneisel, beide vom Schwerhörigen-Verein Berlin e.V.

Gemeinsam mit Fritz-Bernd Kneisel sagten wir unsere Teilnahme zu. Unser „Experten in eigener Sache“-Team setzt sich aus Vertretern der Behindertenbereiche körperliche Behinderung, Sinnesbehinderung, psychische Behinderung und Lernbehinderung zusammen. Die Zusammenarbeit mit dem Kuratorenteam und der Leiterin der Bildungsabteilung in der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz Dr. Elke Gryglewski wird von der Museumspädagogin Dr. Christiane Schrübbers und der Architektin und Sachverständigen für Barrierefreiheit Dipl. Ing. Hilke Groenewold begleitet.

Das erste Treffen fand am 20. Juni 2017 in der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz statt. Im Mittelpunkt standen zunächst eine Führung durch die jetzige Dauerausstellung mit einer Kurzpräsentation ausgewählter Dokumente, das gegenseitige Kennenlernen und die Vorstellung des Vorkonzeptes der neuen Dauerausstellung. In den Folgeveranstaltungen haben wir gemeinsam über die Anforderungen an die Barrierefreiheit und ihre Umsetzung in den Feldern Bewegen, Sehen, Hören und Verstehen bei der Raumplanung, der Wegeführung in den Innen- und Außenanlagen sowie bei der Auswahl und Darstellung der Exponate gesprochen, Lösungsvorschläge unterbreitet sowie am Vergabeverfahren für das zu beauftragende Gestalterbüro mitgewirkt.

Im Bereich Bewegen sollen die Bedarfe von Rollstuhlfahrern, von Personen mit verminderter Bewegungsfähigkeit und von Personen, die ihre Arme und Hände nur eingeschränkt bewegen können, berücksichtigt werden. Im Bereich Sehen werden taktile Elemente (taktiles Leitsystem, Tastmodelle) und Audiounterstützung für blinde und sehgeschädigte Besucher bereitgestellt. Im Bereich Hören geht es um den Einsatz von visuellen (Gebärdensprache, Verschriftlichung) und auditiven Elementen (Induktionsschleife, mobile Hörstationen) für schwerhörige und gehörlose Personen. Im Bereich Verstehen unterstützt die Übersetzung in die Leichte Sprache Menschen mit Lernbehinderungen. Am 18. Januar fand im Anne-Frank-Zentrum in der Rosenthaler Straße unser erstes Arbeitsgruppentreffen im neuen Jahr statt. Wir besuchten dort eine zum Jahresende 2018 eröffnete Ausstellung, die vom gleichen Gestalterbüro begleitet wurde, das auch für die Dauerausstellung im Haus der Wannsee-Konferenz den Zuschlag erhalten hat. Bei unserem Besuch haben wir uns angeschaut, wie das Thema Barrierefreiheit umgesetzt wurde, welche positiven Erfahrungen bereits vorliegen und übernommen werden können und was besser zu machen ist.

Fritz-Bernd Kneisel und ich haben in den vergangenen eineinhalb Jahren an sieben Projekttagen und Workshops teilgenommen. In diesen Veranstaltungen konnten wir unsere spezifischen Bedarfe als Schwerhörige kommunizieren und Vorschläge zur Umsetzung der Barrierefreiheit im Bereich des Hörens unterbreiten. Unsere Zusammenkünfte in diesem Gremium trugen jedoch auch dazu bei, dass wir unsere eigenen Kenntnisse über den Unterstützungsbedarf und die Unterstützungsmöglichkeiten für andere Behindertengruppen erweitern und neue geschichtliche Zusammenhänge und Hintergrundinformationen über die Zeit des Nationalsozialismus und der Verfolgung und Vernichtung der deutschen und europäischen Juden kennenlernen konnten.

Artikel aus: SVB-Nachrichten, Heft 1/2019, S. 25.