Hilferufe aus Gurs

In Folge der Berichte über die Eröffnung der Ausstellung „Gurs 1940“ wandte sich Sabine Johnson (geb. Hallensleben) an den Kurator der Ausstellung, Christoph Kreutzmüller, und überließ ihm Kopien der Briefe ihrer Großeltern Paula und Nathan Simon, die im Lager Gurs nahe der Pyreneen interniert waren. Die Briefe sind an Sabines Mutter Erika Hallensleben (geb. Simon) adressiert und spannende Dokumente. Wir bedanken uns für Frau Johnsons Vertrauen.

Auch Paula und Nathan Simon wurden im Oktober 1940 aus Karlsruhe nach Frankreich deportiert. Ihre Briefe sprechen von dem persönlichen Leid, das sie durch die Trennung von ihren Kindern und Enkelkindern erlebten. Besonders Paula vermisste ihre Enkelkinder und sehnte sich nach dem alltäglichen Leben zurück. In dem hier abgebildeten Brief schrieb sie: „Ich war an Weihnachten immer in Gedanken bei euch, […] Spiel und Kaffee mit Kuchen der gemütliche Mittag vergeht, überlegte mir, wo wohl der Christbaum stehen wird“. 

Vergleicht man die Briefe mit denen anderer Internierten, so fällt auf, dass alle Absender wiederholt nach Geld fragen. Da die Lebensmittelversorgung im Lager äußerst dürftig war, waren die Menschen auf Zuwendung von ihren Angehörigen und von Hilfsorganisationen angewiesen. Wie viele andere Gefangene auch erkundigten sich Paula und Nathan Simon nach Kontakten im Ausland. Sie hofften nicht nur auf finanzielle Unterstützung, sondern auch, dass diese ihnen Papiere besorgen könnten, die es ermöglichen würden, das Lager zu verlassen und ins Ausland zu flüchten. Paula erzählte in ihrem Brief: „Wenn man pro Person 600 Fr. hätte und noch etwas Taschengeld zum Zusetzen, dann könnte man hier fortkommen […]“.

Das gelang den Simons leider nicht. Der letzte Brief der Großeltern wurde im März 1942 versendet. Ab dieser Zeit  werden Jüdinnen und Juden, die im Lager Gurs interniert waren, in das Sammellager Drancy transportiert und von dort weiter nach Ausschwitz-Birkenau deportiert.[1]  Paula und Nathan Simon wurden am 12. August 1942 mit dem 18. Transport von Gurs über Drancy nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort kurz nach ihrer Ankunft in den Gaskammern ermordet.[2] 
 

 


[1]  Groszman, Gabriel: Wie unendlich traurig. Deportiertenpost aus dem Camp de Gurs. Konstanz 2009. S. 53.

[2] Klarsfeld, Serge: Mémorial de la Déportation des Juifs de France. S. 611.