15. Berlin-Brandenburgisches Forum für zeitgeschichtliche Bildung

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Am 8. Oktober 2018 war das Museum Berlin-Karlshorst der Veranstaltungsort für das 15. Berlin-Brandenburgische Forum für zeitgeschichtliche Bildung, das dieses Jahr unter dem Titel „Über uns – ohne uns? Vielfaltserfahrungen in der Gedenkstättenpädagogik“ stattfand.

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Dr. Elke Gryglewski, Sandrine Micossé-Aikins, Anja Witzel und Sawsan Chebli bei der Abschlussdiskussion des 5. Berlin-Brandenburgischen Forums für zeitgeschichtliche Bildung

Das Forum richtet sich insbesondere an Lehrer*innen im Fach Geschichte, es nahmen aber auch viele Gedenkstättenmitarbeiter*innen und Pädagog*innen der außerschulischen Bildung daran teil. Der diesjährige Fokus lag auf Vielfalt in der historischen Vermittlungsarbeit – vor allem in den Gedenkstätten aber auch in Schulen.

Es zeigte sich sowohl bei den Podiumsdiskussionen als auch in den Workshops, dass der Begriff „Vielfalt“ keinesfalls selbsterklärend ist. Je nach Auslegung kann er viele verschiedene Themenfelder einbeziehen, darunter zum Beispiel Barrierefreiheit und Dis/Ability, gesellschaftliche Inklusion in der pluralistischen Gesellschaft, geschlechtliche und sexuelle Diversität aber auch kreative pädagogische Zugänge. All diese Aspekte fanden sich im Programm wieder – es wurde aber in den Diskussionen ersichtlich, dass eine enge(re) Definition zum Teil hilfreich sein kann.

Nach der Eröffnung des Forums durch Dr. Jörg Morré, Leiter des Museums Berlin-Karlshorst, wurde ein Grußwort der Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft Sandra Scheeres verlesen, in dem sie betonte, dass eine Demokratie ohne soziale Inklusion keinen Bestand haben könne. Dr. Elke Gryglewski verwies zudem auf die besondere Relevanz der Thematik in einer Zeit, in der Vielfalt wieder vermehrt in Frage gestellt werde. In der ersten Podiumsdiskussion wurden besonders vier Bereiche der gedenkstättenpädagogischen Arbeit herausgearbeitet, in denen Vielfalt von großer Bedeutung ist:

  • Vielfalt in der jeweiligen historischen Thematik, die wiederum zu vielfältigen Bildungsangeboten führen kann.
  • Repräsentation von Minderheitengruppen im Gedenkstättenpersonal, zum Beispiel durch Bildungsangebote in Fremdsprachen (darunter auch Leichter Sprache) oder durch Führungen von Menschen mit Lernbehinderungen, wie sie die Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde Brandenburg an der Havel bereits anbietet.
  • Zugänglichkeit der Bildungsangebote für vielfältige Zielgruppen.
  • Sensibilität für Vielfalt, die auch in augenscheinlich homogenen Gruppen gegeben ist.

Am Nachmittag konnten sich die Teilnehmer*innen zwischen vier Workshops entscheiden. In allen ging es um Erfahrungen von Vielfalt. Jeweils drei bis fünf Gedenkstätten oder Einrichtungen der (außer-) schulischen Bildung stellten ihre Programme und Erfahrungen vor. Unter anderem Mitarbeiterinnen des Jugendmuseums Schöneberg, die ihre Formate „All included!“ und „Villa Global“ vorstellten und ausführten, wie sie die dort gesammelten Erfahrungen bei der Arbeit mit Jugendlichen im Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße einbringen können. Dr. Christine Müller-Botsch zeigte hingegen auf, wie die gesellschaftliche Diversität von Widerstandskämfer*innen in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand genutzt wird, um heterogenen Gruppen durch den biografischen Ansatz einen Zugang zu ermöglichen. Einen anderen Aspekt von Vielfalt konnte die Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde beleuchten. In ihrer Sonderausstellung „Nach der Flucht. Wie wir leben wollen“ werden die Einzelschicksale mehrerer Migrant*innenfamilien und ihre Lebensrealitäten in Deutschland thematisiert.

Bei der anschließenden Abschlussdiskussion reflektierten Anja Witzel (Landeszentrale für politische Bildung Berlin), Sandrine Micossé-Aikins (Berliner Projektbüro für Diversitätsentwicklung), Sawsan Chebli (Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales) und Dr. Elke Gryglewski (Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz) die Ergebnisse des Forums. Sawsan Chebli betonte, dass Gedenkstättenbesuche zwar nicht gegen undemokratisches oder antisemitisches Gedankengut immunisieren, aber durchaus zur Reflektion von Feindbildung beitragen könnten. Darüber hinaus zeigte Sandrine Micossé-Aikins den Zusammenhang der „Drei P‘s“ auf: Sobald das Programm und das Personal der Gedenkstätten divers seien, würden sie automatisch auch ein diverse(re)s Publikum anziehen. Jedoch hob sie abschließend hervor, dass der Begriff der Inklusion im öffentlichen Diskurs noch immer zu inflationär und diffus benutzt werde und ein Verständnis von Demokratie, Diversität und Teilhabe in der breiten Gesellschaft noch fehle.

Insgesamt zeigte die Veranstaltung jedoch, dass der Diskurs um Gedenkstättenarbeit in der vielfältigen Gesellschaft sich sehr professionalisiert hat und ein Bewusstsein für die Notwendigkeit weiterer Schritte vorhanden ist.