Joseph Wulf: Ein polnisch-jüdischer Historiker in der Bundesrepublik Deutschland

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Am 16. Februar 2018 fand in der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Paris ein Workshop zum Thema „Joseph Wulf: Ein polnisch-jüdischer Historiker in der BRD. Zwischen Zeugenwissen und engagierter Geschichtsschreibung“ statt.

Die Veranstaltung mit Referentinnen und Referenten aus verschiedenen Ländern (siehe hier das Programm) war Teil des deutsch-französischen Projektes „Frühe Schreibweisen der Shoah. Wissens- und Textpraktiken jüdischer Überlebender in Europa (1942–1965)“ und wurde vom Centre de Recherches Historiques der Pariser Universität École des Hautes Études en Sciences Sociales und dem Zentrum für Literatur und Kulturforschung in Berlin organisiert.

Der Workshop warf einen Blick auf das vielschichtige Werk Joseph Wulfs und schlug einen Bogen von seinem frühen Wirken als Literat und Churban-Historiker in Polen und Frankreich bis zur Rezeption und Interpretation seiner Werke in der Gegenwart. Auch Joseph Wulfs gescheiterte Initiative aus den 1960er Jahren für ein Internationales Dokumentationszentrum (IDZ) im Haus der Wannsee-Konferenz wurde diskutiert. Gerd Kühling, Mitarbeiter der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz führte aus, dass die damalige Debatte um das IDZ vor allem von der Standortfrage dominiert wurde; die wissenschaftlichen Ziele des Zentrums und seine bereits begonnene Arbeit spielten indes kaum eine Rolle. Sein Vortrag erörterte, welche Chance Wulfs Vorhaben für die Geschichtswissenschaft hätte sein können, wäre es etabliert worden: Die angestrebte Täter- und Opferforschung im Sinne Wulfs durch die Zurverfügungstellung vielfältiger Dokumente zum Nationalsozialismus hätte frühzeitig die Voraussetzungen für das Verfassen einer „integrierten Geschichte des Holocausts“ schaffen können, die erst in der jüngeren Gegenwart etwa in den Werken Saul Friedländers ihren Ausdruck fand. Im Workshop wurden nicht zuletzt die verschiedenen Ansätze deutlich, die Wulf im Verlauf seiner Arbeiten verfolgte: Genannt seien seine frühen Publikationen und Mit-Herausgeberschaften in jiddischer und polnischer Sprache, die insbesondere die Perspektiven der Opfer des Massenmordes an den (ost-)europäischen Juden beleuchteten. Oder Wulfs deutschsprachige Dokumentensammlungen, die dezidierte Einblicke in die Denk- und Handlungsweisen nationalsozialistischer Täter gaben und über das gesellschaftliche und politische Klima informierten, das sie prägte.

Durch den Workshop in Paris ist es gelungen, den Blick auf das Leben und Wirken Wulfs noch einmal zu erweitern. Es ist daher nur zu begrüßen, dass die Vorträge der Veranstaltung demnächst veröffentlicht werden sollen, um die Ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.